: Utopie einer Frauenuniversität
■ Eine gelungene Themenmischung präsentierte die diesjährige „Offene Frauenhochschulwoche“ in Kassel / Interessant vor allem die Konzeptionsdebatte: Soll es künftig mehr Spezialisierung auf Frauenforschung geben oder weiterhin Offenheit und Vielfalt?
Eine angenehme Mischung aus Informativem, Nachdenkenswertem und Utopischem bot die dritte Offene Frauenhochschule mit dem Schwerpunkt Frauen und Öffentlichkeit an der Gesamthochschule Kassel. Die Offene Frauenhochschule wird zwar einerseits von einer Gruppe von Studentinnen organisiert, ist aber andererseits Bestandteil der Hochschule und wird von ihr finanziert. Allerdings mit einem bescheidenen Etat von 25.000 Mark. Diese Form der Frauenhochschule ist leider bisher einzigartig. Denn es besteht ein Bedürfnis nach mehr. Eine ganze Woche lang war die Hochschule für Frauen von außen „offen“, es gab Bildungsurlaub, und die breite Fächerung der Themen traf die Bedürfnisse dieser Frauen ganz anders als die der „alten Häsinnen“, die es lieber spezialisierter in Richtung Frauenforschung gehabt hätten.
Die Vielzahl der Bedürfnisse, so wurde an einer Stelle auch gesagt, sei einfach nicht mit einer Woche im Jahr unter einen Hut zu kriegen.
Was also wurde angeboten? Es gab thematische Schwerpunkte, zum Beispiel die historischen Bereiche, den Bereich Arbeit anhand Frauenförderplänen oder Personalplanung, Gesundheit war Thema, wenn auch mehr am Rande, genau wie Körperarbeit zwar einen Platz hatte, aber nicht die Veranstaltung überschwemmte. Ein weiblicher Sergeant aus den USA war da und Eva Quistorp mit ihrer Militarismuskritik.
„Wie ein Feuerwerk“, sagte eine kritische Stimme, „von allem ein bißchen und sehr intensiv.“ Der „harte Kern“ der Kasseler Frauenbewegung in Gestalt der Zeitung 'Krampfader‘ diskutierte noch einmal eine neue feministische Frauenzeitung, überregional und radikal feministisch, weil es sowas in der BRD noch nicht gebe. Einig konnten sich die Frauen überhaupt nicht werden, denn „was zwischen 'Emma‘ und 'Brigitte‘ liegt, für das es vielleicht sogar einen Markt gebe“, daran seien die Kasselerinnen nicht interessiert. Sehr spannend war eine andere Diskussion, zu einer anderen Utopie. Die heißt Frauenuniversität. Sehr schnell stellte sich die Frage des Ansatzes. Will frau eine Eliteuniversität mit den besten Frauen der Republik, oder ist es möglich, etwas außerhalb der Strukturen zu gestalten, jenseits der gewohnten Institutionalisierung aber dennoch darin? Leider reichte die Zeit nicht aus, um über die Fragestellungen und die Diskussion um pro und kontra hinauszukommen. Die Vorbereitungsgruppe selbst hatte zu einer Veranstaltung geladen, es sollte um die Weiterführung der Offenen Frauenhochschule gehen und um Kritik. Anwesend waren dann leider nur die fünf Vorbereiterinnen, die Vizepräsidentin und drei oder vier Zuhörerinnen. Dabei hatte es vorher Zoff und Kritik gegeben. Das Frauenhaus war empört. Letztes Jahr nämlich hatten die Kasselerinnen Schwierigkeiten mit ihrem Etat gehabt. Bei der letzten Offenen Frauenhochschule waren nur die auswärtigen Referentinnen bezahlt worden, die Einheimischen gingen leer aus. Anscheinend konnte frau keinen Modus finden, um adäquat alle Referentinnen zu entlohnen.
Diesmal hat es etwas mehr Geld gegeben, alle sind bezahlt worden, wenn auch unterschiedlich. Dennoch ist die Luft bei den Vorbereiterinnen raus, sie finden sich überfordert und selbstausgebeutet. Kontinuität für eine vierte Frauenhochschule gibt es nicht, solange kein Geld da ist.
Sie wollen ein Büro, eine feste Stelle, ein Telefon und alles was dazugehört. In diesem Zusammenhang wurde auch diskutiert, ob man die Form der Frauenuniversität nicht ändern sollte. Mehr Spezialisierung auf Frauenforschung, zum Beispiel als Forum der Frauenforscherinnen, die ihre letzten Ergebnisse vorstellen und den neuesten Stand mit anderen interessierten Frauen diskutieren. Oder eine Sommeruniversität über zwei Monate, wie sie sich die Vizepräsidentin Ayla Neusel vorstellt, dies aber als Weiterqualifizierungsschule für Spezialistinnen. Nein, es scheint gerade so richtig zu sein wie es ist, meinen die anderen. Die Offenheit der Hochschule sei wichtig. An anderen Hochschulen könne frau ja andere Versuche starten. Aber wie soll es dann weitergehen? Thematische Schwerpunkte und Eingrenzungen haben diesmal gezeigt, wie gut sie sind.
Das Programm ist so aufgebaut, daß die Schwerpunkte sich nicht überschneiden, sondern hintereinander wahrgenommen werden können. Überhaupt sind nur etwa drei Veranstaltungen auf einmal vorgesehen, was ich selbst auch als angenehm empfinde.
Die vierte Frauenhochschule könnte ein kontinuierliches Fünftageprogramm haben, mit drei, vier thematischen Schwerpunkten, das sowohl Wünsche nach „Ernsthaftigkeit“ als auch nach „Unverbindlichkeit“ befriedigt.
Denn diese Unverbindlichkeit der Frauenhochschule sei für manche Frauen genau dazu da, ihre Schwellenangst zu überwinden. Zu der Frage des Geldes meint Vizepräsidentin Ayla Neusel: Die Frauenhochschule sei das bestbezahlte Projekt an der Hochschule; sie fürchtet, daß es hierfür nicht noch mehr Geld gebe. Man müsse versuchen, andere Geldmittel anzuzapfen.
Maria Neef-Uthoff
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