Serben machen Druck vor ZK-Sitzung

■ Auch am Wochenende wieder nationalistische Demonstrationen der Serben / Parteichef Suvan geht auf Distanz zum Serbenführer Milosevic / Serben mobilisieren gegen Suvan / Militär greift in Diskussion ein / Heute ZK-Sitzung der jugoslawischen Kommunisten

Berlin (taz/afp/dpa) - Vor der heute beginnenden Sitzung des Zentralkomitees (ZK) des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens (BKJ) ist es am Wochenende zu weiteren nationalistischen Demonstrationen, Politikerrücktritten und neuen nationalen Vorwürfen gekommen.

Am Vorabend der Plenartagung der jugoslawischen Kommunisten ergriffen unerwartetet der stellvertretende Verteidigungsminister General Buncic und andere hohe Militärs das Wort. Die Armeeführung, die sich in der Vergangenheit selbst als letzter „Garant für die Einheit Jugoslawiens“ darstellte, sei zum Schluß gelangt, in Slowenien seien weiterhin konterrevolutionäre Elemente am Werk.

In der Hochburg der Alternativ- und Friedensbewegung, in Ljubljana, planten „subversive Element-Kreise“ den Sturz der Arbeiterklasse. Nun herrscht in Ljubljana wieder die Angst, hohe Militärs hätten ihre Vormachtspläne nicht aufgegeben und suchten diese mit dem serbischen Parteiführer Slobodan Milosevic erneut zu verwirklichen. Gleichzeitig aber kritisierte General Buncic die Versuche Serbiens, dem Land ein „zentralistisches Modell“ aufzuzwingen.

Auch die Betonfraktion innerhalb des „Bundes der Kommunisten“ ging am Wochenende auf vorsichtige Distanz zu Milosevic: Dessen Verbündeter, Stipe Suvar, ein Kroate, der es im Mai nur mit Hilfe serbischer Generäle schaffte, den Vorsitz im kollektiven Parteipräsidium, dem neben Suvar auch Milosevic und Kucan angehören, zu übernehmen, übte erstmals öffentlich scharfe Kritik an seinem Freund: Mit den immer größer und militanter werdenden Massenaufmärschen seien Milosevic die Zügel des Regierens entrissen, er könne den „nur teils berechtigten Volkszorn“ seiner Anhänger nicht mehr bändigen, „antisozialistische und Tito-feindliche Äußerungen“ brächten das Land allmählich in den Abgrund.

Hintergrund des Angriffs ist die Milosevic-Entgleisung vergangene Woche in seinem Parteiblatt 'Politika‘: Auf der ersten Seite ließ er ein Bild einer aufgebrachten Menge veröffentlichen, die die Absetzung demokratischer Politiker forderte und auf Spruchbändern folgende Parole geschrieben hatte: „Unser Weg der Freiheit führt auch über Tirana“, die Hauptstadt Albaniens. Damit war klar, daß die nationalistischen Milosevic-Anhänger vor einer Kriegsdrohung gegenüber dem Nachbarn Albanien nicht mehr zurückschrecken.

Nach der vorsichtigen Kritik Suvars an Milosevic traten in Serbien in allen Städten die Parteiorganisationen zusammen. Die Warnung Suvars vor dem serbischen Nationalismus sei eine „Beleidigung für alle Kommunisten Serbiens“, schimpfte die Partei in der zweitgrößten serbischen Stadt Nis. In anderen serbischen Städten forderten Parteizellen die Abberufung von Suvar als Bundesparteichef.

Auch am Wochenende demonstrierten wieder über 200.000 Serben in Leskovac (300 Kilometer südlich von Belgrad) für ihren Volkshelden Milosevic und gegen die „Staatsfeinde“ des Landes - Parolen wie „Tod Milan Kucan“, dem slowenischen Parteichef, und „nieder mit Stipe Suvar“ waren unter den Sprechchören zu vernehmen.

Bei der heute stattfindenden ZK-Sitzung geht es um eine Weichenstellung im Land: Zwei Konzepte ringen um Mehrheiten unter den 165 ZK-Mitgliedern: Dem von Slowenien angeführten Lager geht es um demokratische Reformen in der Politik und Einführung von verstärkter Marktwirtschaft. Die von Serbien geleitete Gruppe setzt sich für eine zentralere Bundespolitik ein. In der Wirtschaft will sie dem Staat weiter eine Schlüsselrolle einräumen. Außerdem soll mindestens ein Drittel aller ZK-Mitglieder abgelöst werden.

Wie die angestrebte Auswechslung der ZK-Mitglieder ablaufen soll, ist noch unklar. Sicher ist ein Austausch im 23 -köpfigen Parteipräsidium.

Roland Hofwiler