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Grüne begraben Finanzskandal

Bundeshauptausschuß debattiert über Manipulationen bei Lohnabrechnungen für Haus Wittgenstein / Vorstand wird ein bißchen gerügt / Keine personellen Konsequenzen / Wirtschaftsprüfungsunternehmen beauftragt  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Es rollten keine Köpfe, statt Tränen floß der Kaffee, die Nerven sind mehr zerrüttet als die Finanzen, und der Sturz des Vorstands soll fortan auf demokratische Weise geprobt werden. So etwa läßt sich das Ergebnis einer neunstündigen Debatte im grünen Bundeshauptausschuß in Bonn zusammenfassen. Etwas krakelig ist der Schlußstrich wohl, den dieses zwischen den Parteitagen höchste Gremium am Wochenende unter den Finanzskandal zog. Dem Vorstand wurde die Kritik ins Stammbuch geschrieben, daß er erst so spät „offensiv“ die Verantwortung für die Manipulation der Lohnabrechnungen in „Haus Wittgenstein“ übernommen habe. Doch die Intention, Drogenabhängigen auf diese Weise helfen zu wollen, erhielt den Stempel „ausdrücklich gebilligt“.

Obwohl dem Bericht der parteiinternen Untersuchungskommission „nichts hinzuzufügen“ sei, beauftragte der Hauptausschuß den Vorstand mit knapper Mehrheit von einer Stimme, das Wittgenstein-Projekt vom Unternehmen „Treuarbeit“ durchleuchten zu lassen. Auch der Bericht eines anderen Wirtschaftsprüfers steht noch aus. Schatzmeister Hermann Schulz aber legte gegen den „Treuarbeits„-Beschluß erst mal ein aufschiebendes Veto ein: Für die rund 100.000 Mark, die die Renommier-Firma wohl verlangen wird, gebe es keinen Etat - ein Argument, das seine Kritiker, die auf „sauberes Finanzgebaren“ pochen, gelten lassen mußten.

Obwohl der Vorstand vor allem von RednerInnen aus dem realpolitischen Lager heftig unter Beschuß genommen wurde, raffte sich niemand zu einer offenen Rüchtrittsforderung auf. Ein Antrag aus Nordrhein-Westfalen, der Vorstand müsse für den „politischen Schaden“ haftbar gemacht werden und selber über Konsequenzen nachdenken, bekam nur wenige Stimmen.

Auf Unwillen stieß auch der Bundestagsabgeordnete Peter Sellin, der für sich in Anspruch nahm, Sprecher des „grünen Aufbrauchs 88“ zu sein, und von den Wittgenstein -Manipulationen eine direkte Linie zu Flick und Lambsdorff zog. Dieser „Staatsfetischismus“, der nicht mehr zwischen einer Milliarde für einen Rüstungskonzern und einer Hose für einen Junkie unterscheide, sei der eigentliche „Sumpf“ bei den Grünen, konterte Ökosozialist Rainer Trampert in einer vielbeachteten Rede: Keiner nehme Anstoß daran, wenn grüne Abgeordnete sich öffentlich dazu bekennen, keinen Pfennnig von ihren Diäten in die Öko-Fonds der Partei abzuführen, „aber wenn dem Staat 10.000 Mark vorenthalten werden, bricht helle Empörung aus“.

Den baden-württembergischen Schatzmeister Siggi Gretz, der auf „ein positives Staatsverständnis“ und Einhaltung der Gesetze pochte, apostrophierte Vorstandsmitglieder Johann Müller-Gazurek „als schwäbischen Spießbürger“. Die Angst vor „dem Aufstand dieser positiven Staatsverständler“ habe möglicherweise zur defensiven Haltung des Vorstands geführt. Gazurek: „Vielleicht hatten wir da schon die Schere im eigenen Kopf.“

Nachdem Eberhard Bueb für die parteiinterne Kommission die Behauptung Lukas Beckmanns, das Gremium sei unter Druck gesetzt worden, zurückwies, hatte der „Chefheilige auf einem Sockel von Pappmache“ (Ditfurth) einen schweren Stand. Mit großer Mehrheit rügte der Hauptausschuß Beckmanns Dossier als „einseitigen und zum Teil diffamierenden Gegenbericht“. Beckmann selbst mußte in der Debatte einräumen, daß er sich bei seinen Anschuldigungen gegen den Vorstand zum Teil nur auf das gestützt habe, „was man mir erzählt hat“. Er schüre den Skandal, weil er ihn für eigene Ambitionen brauche, warfen ihm seine Gegner vor, und Ursula Schwarzenberger, grüne Christin im Vorstand, meinte: „Haut den Lukas, er hat es verdient.“

Jene in der Partei, die nach Ansicht der Vorstandsmehrheit die „Stichwortgeber“ für die Medienvorwürfe waren, sollen ihr Anliegen auf Ablösung des Vorstands nun politisch zur Diskussion stellen. Regina Michalik: „Für meine Frauenpolitik kann ich zurücktreten, aber für 10.000 Mark Steuern - das ist mir wirklich zu popelig.“

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