: Schirrmacher?
■ Was der 'FAZ'-Bauer nicht kennt, das frißt der Abonnent
Dies, mit Verlaub, ist ein schleechter Bicherrherbst. Warum?
Es müßte eine klingende taz geben, auf der Eckard Henscheid als Reich-Ranicki den 'FAZ'-Kommentar zur Nobelpreisverleihung liest. Die Gaudi beginnt in der Überschrift, „Mahfuz?“, mit gelispeltem „z“ und großem drohenden Fragezeichen und hört sich im weiteren so an: „Glückwünsche für Naghib Mahfuz. Der siebenundsiebzigjährige Schriftsteller hat als erster Ägypter und als erster Araber den Nobelpreis für Literatur erhalten. (...) Ob dieser fleißige Schriftsteller die höchste Auszeichnung, die es in der literarischen Welt gibt, zu Recht erhalten hat, kann zur Stunde freilich kaum jemand beurteilen: denn kaum jemand in Europa kennt Naghib Mahfuz, von dessen Namen mindestens fünf verschiedene Schreibweisen existieren, kaum jemand hat seine Werke gelesen, wenige wußten überhaupt von seiner Existenz.“
Dann: „Glückwünsche der Schwedischen Akademie. Nämlich: Mehr Glück fürs nächste Jahr. Sollte sie weiterhin solche Urteile treffen, ist sie auf dem besten Weg, ihre Reputation ein für allemal zu verspielen. (...) Das Mißtrauen gegenüber dieser Auszeichnung kommt ja nicht daher, daß Mahfuz Ägypter ist, sondern daß er sich nach immerhin fünfzig Jahren des Publizierens weder in Europa noch in Amerika durchgesetzt hat.“ Die schwedische Akademie „muß aufpassen, daß sie eines Tages die, die sie zu ehren meint, nicht in Wahrheit beleidigt.“
Die Schriftsteller der Welt, die nicht im Blickfeld und Gespräch der US-europäischen Reich-Ranickis sind, müssen aufpassen, sie könnten demnächst mit 730.000 Mark beleidigt werden. Wo die Reputation der Akademie allerdings schon so ruiniert ist, sollte sie ungeniert fortfahren, im Exotismus zu schwelgen - um schrittweise die bornierten Hirne der Literaturbeamten zu erweitern und deren Verlautbarungs -Organe noch oft zu solchen Kleinodien zu reizen. Soviel Kunst der Meinungsfindung bei gleichzeitiger totaler Ahnungslosigkeit ist, um es deutlich zu sagen, selten. Und sie wird mit Reich-Ranickis baldigem Abgang nicht aussterben; das oben zitierte alerte Geschwätz stammt nicht von ihm, sondern von seinem designierten Nachfolger, Frank Schirrmacher, der trotz des jüngst im TV zu besichtigenden Charisma eines Milchbubis großväterlicher schreibt, als Tolstois Bart je rauschte. Reich-Ranicki hinterläßt auf dem Oberschiedsrichterstuhl eine Lücke, die ihn voll ersetzt, der Junioren-Meister im Feuilleton-Leerlauf füllt sie wie von selbst. Da klappert das kritische Geschirr, da steht der humahnende Zeigefinger stramm wie eine nasse Nudel - Eckard Henscheid wird bei seinen Lesungen der Zugabe-Stoff nicht ausgehen.
mbr
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