: „Wo ist Jutta?“
■ Aus dem häuslichen Alltag des Politikerinnen-Mannes Thomas Hoppensack / „Learning By Doing“ / „War das gestern ihre Frau im Fernsehen?“
Wo ist Jutta? fragen unsere leibeigenen Ansas (11) und Nikolai (9) regelmäßig, wenn ich die beiden an den Abendbrottisch getrommelt habe. Die Frage hat sich zu einem beliebten Spiel entwickelt. Wollen die beiden mich foppen oder warum fragen die das immer wieder? Sie ist im Parteibüro! Die
ist bei der AsF. Sie ist bei der AWO. Meist sage ich: „Sie macht Politik.“
Hier habe ich Juttas Terminkalender der laufenden Woche abgemalt (ohne Kinder zur Zahnärztin, Musikunterricht etc.). Übrigens hat sie auch einen Bürojob, für den sie im Recycling-Hof arbeitet. Montag: bei der taz, 20 Uhr AsF -Landesvorstand, Dienstag: 18 Uhr Kommission (welche? weiß ich nicht), Mitt
woch: 14 Uhr Abfallgruppe (abends: nichts bis jetzt...), Donnerstag: 19.30 Uhr Wildeshausen „Zur Quote referieren“, Freitag: 16 Uhr Landesvorstand Partei (open end), Samstag: 11 Uhr „Propagandistin“ am Stand im Ortsverein anl. Europawahlkampf.
Drei Abende unterwegs sind die Regel, vier sind nicht selten, fünf bis sechs sind es vor Wahlen! Also: Die abendliche Frage unse
rer beiden leibeigenen Lustergebnisse sind wohl berechtigt. Als abendliche Hausmännin der Politfrau habe ich so recht viel Verständnis für die Rückseite der Frauenfrage bekommen. „Learning By Doing„heißt das bei den Pfadfinderinnen.
Abgemacht war das zwischen uns nicht; es hat sich aber so eingeschlichen, wie das bei vielen menschlichen Dingen so ist. Dazu dann die Fragen aus der nächsten Umgebung: „War das gestern ihre Frau im Fernsehen? Ein Glück, daß sie diese Energie nicht zu Hause rausläßt - so witzele ich manchmal bei Leuten, die sich nach der starken Frau erkundigen - so viele Fenster haben wir nämlich gar nicht zu putzen!
Was kann Mann denn schon im Haushalt? Den abendlichen Haushalt mache ich, den morgendlichen Jutta. Aber abends sind wir eben meist eine unvollständige Familie, Schichtarbeiterinnenschicksal.
Schlimmer noch die Kommunikation: Ich schleiche um 6:45 Uhr zur Arbeit, der Ruf aus dem Schlafzimmer: Ich brauche heute das Auto! Dabei fahre ich sowieso immer Rad oder Bus. Die Zettelaufträge und Infos auf dem Küchentisch, wenn ich um 16:30 Uhr von meinem Bürojob komme. Abends 'ne wichtige Sitzung - da hat sie für Unpolitisches kein Ohr frei.
Ich habe sie trotz gleichem Schlafzimmer 36 Stunden nicht gesehen, versuche sie nachmittags anzurufen. Ewig besetzt. Politisches Dauertelefonat.
Ist das noch „meine“ Jutta, die ich vor 14 Jahren in einer Kellerkneipe in Hamburg traf, als sie Allgemeinplätze über die Männer verbreitete? Und ich wollte ihr Bild zurechtrücken; nicht alle sind so!
Als Mann der Politfrau geht es mir nämlich wie der Frau des Politikers: Freundlich mitmimen wie am Theater die stumme Jule (das sind die Rollen, die auch mitspielen, aber keinen Text haben - trotzdem keine Statistinnen sind). Das sind keine leichten Rollen. Solange ich keine Zerstörerin taufen muß, bin ich's zufrieden.
Und hier noch meine Meinung zur Abtreibungsfrage. Ich bin für den Ersatz des § 218, nämlich so: Das Kind im Manne muß gesetzlich geschützt werden.
Thomas Hoppensack
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