The Show must go on

■ Am Samstag bewies das Heinz-Sauer-Quartett in den Weserterrassen nochmals eindringlich, daß das Ende von Dacapo nicht einfach hingenommen werden darf

Es will mir nicht in den Kopf, aber vielleicht war der Auftritt des Heinz Sauer Quartetts wirklich das letzte Jazz -Konzert in der Dacapo-Reihe. Das nur halbgefüllte Bürgerhaus wäre einer Sparpolitikerin als Begründung ihrer Kahlschlag-Kulturpolitik gelegen gekommen, das Konzert bildete allerdings einen Kontrapunkt gegenüber solcher Argumentation. In drei Sets und einer im Laufe des Abends immer gelösteren Spielweise setzten die Musiker Glanzlichter in das eher karge Ambiente der Weserterrassen.

Schon im ersten Stück, einer eigenwillig verfremdeten Version des Billy Strayhorn Klassikers „Chelsea Bridge“, wurde klar, warum Heinz Sauer so oft mit Archie Shepp verglichen wird. Sauer benutzt einen ähnlichen Ansatz wie Shepp, der leicht überblasen und „unsauber“ klingt und oft in „gequetschten“ Thrillern endet. Während Sauers Spiel anfänglich eher von verhaltener, oder besser zurückhaltener Dynamik und Expressivität geprägt war, spielte er sich im Laufe des Abends immer freier.

Auch seine Mitmusiker, Bob

Degen am Flügel, Günter Lenz am Kontrabaß und Thomas Cremer am Schlagzeug, trugen mit ihrem ausgezeichneten Zusammenspiel zur entspannten Stimmung bei. Sowohl Lenz als auch Degen boten mehrere ausgedehnte Soli. Das zweite Stück leitete Degen mit einer kurzen, sich ständig wiederholenden Piano-Figur ein. Darüber improvisierte Sauer mit sprödem Charme auf dem Sopransaxophon, dessen näselnder Sound Assoziationen an nordafrikanische Klänge auslöste. Dann setzte Cremer mit rollenden Trommelwirbeln ein und Lenz griff auf dem Baß die Piano-Figur auf, um sie dann zu verfremden und sich mit seinem Instrument weite Klanglandschaften zu erschließen. Der erste Set endete mit Billie Holidays „God bless the Child“, einer schönen Ballade, die Sauer mit überblasener Melancholie gestaltete.

Auch die beiden folgenden Sets bestanden aus einer Mischung von eigenen Kompositionen und eigenwillig interpretierten Standards. Degens Pianostil steht dabei in eigentümlichem Gegensatz zur „schmutzigen“ Phrasierung

Sauers. Seine Spielweise ist eher fein und „sauber“, nichtsdestotrotz vielfältig und kraftvoll. Und obwohl sie sich dem freien, ungebundenen Musizierkonzept des Quartetts einfügt, betont sie die klassischen Momente. Thomas Cremers Schlagzeug erinnert ein wenig an den garageigen Sound des frühen Freejazz. Er trommelt abwechslungsreich und druckvoll. Als Begleiter gefiel er mir ausnehmend gut, sein ausgedehntes Solo im zweiten Set kam allerdings nicht auf den Punkt.

Der dritte Set endete mit „After the Show“, einem Stück, das einem an Aids verstorbenen Freund von Sauer gewidmet ist. Sauer nutzte diesen traurigen Bezug, um nochmal deutlich sein Unverständnis über das mögliche Ende von Dacapo zu formulieren. Angesichts dieses zu traurigen Ausklangs, meinte er dann allerdings ans Publikum gewandt: „Seien Sie positiv!“ Gesagt, getan: ein langanhaltener Applaus bewegte das Quartett noch zu einer kurzen Zugabe und einem netteren Ende des Abends. Und die Moral von dem Bericht? Dacapo darf nicht sterben, nicht!

Arnaud