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Nein, sagt die Falle-betr.: "Ascona in uns", taz vom 11.10.88

betr.: „Ascona in uns“,

taz vom 11.10.88

Muß es wirklich ein espace culturel negativiste sein, das Ascona in uns? Dieser Topos vom Widerstandsort konnte sich doch nur formieren, weil mit einem Gefühl und Wissen um vitale Werte deren Erstarrung in der bürgerlichen Gesellschaft erkannt und bekämpft wurde. „Woran soll sich das arme schwache Ich noch halten“, wenn seinem Widerstand die Grundlage fehlt? Herrschende und Gegenkultur unterliegen der gleichen Entwertung, die die Philosophie der letzten Jahre mit dem Ende der Utopien beschrieben hat. Weder Religions- noch Revolutionsversprechen mobilisieren irgendwelche inneren Antriebskräfte in unserer Gesellschaft. Aber, um meine Großmutter zu zitieren, wenn man nicht an etwas glaubt, wofür man lebt, verkümmert man innerlich, weil man keinen Ort hat, wo man ausruhen kann.

Vielleicht müßte man nach Art der Urchristen eine Katakombenkultur aufbauen, mit dem Unterschied, daß nicht eine Jesusfigur die Gemüter eint, sondern das geteilte Bewußtsein von der Notwendigkeit, innere Antriebskräfte zu sammeln. Fundamentalistisch an dieser Idee wäre nur die Einsicht, daß man Wege finden muß zur geistigen Stärkung, um nicht unterzugehen im existierenden Chaos.

Und an die Hermeneutik hätte ich die Frage nach einer Denkarbeit von Vorstellungen in die hinein sich Werte verankern lassen, so daß man den unbrauchbar gewordenen Ideologien nicht wieder in die Falle geht. Weil, wenn wir uns damit nicht sehr anstrengen, werden wir auf absehbare Zeit von den wirklichen Fundamentalisten überrannt, deren Fanatismus der europäische Geist, der stets verneint, nicht gewachsen ist.

Inge Bichler, Hamburg 93

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