Gerne ein großer Tröster

■ Ein Gespräch mit Heinz Rudolf Kunze, zur Zeit auf Deutschland-Tour: einer für alle

taz: Viel PR-Streß?

Heinz Rudolf Kunze: Normalerweise macht mir der Streß nicht viel aus, jedenfalls ist mein Bewußtsein dieser Meinung, nur mein Körper denkt oft anders darüber. Eigentliche mache ich diese Interviews ganz gerne. Ich versuche, die Gespräche immer so zu gestalten, daß ich auch was davon habe. Wenn ich nochmal so Rechenschaft ablegen muß für das, was ich tue, wird mir selbst noch einmal klar, was ich eigentlich getrieben habe. Diese Public-Relations-Arbeit ist Teil meiner Arbeit. Das muß ich so akzeptieren.

Früher warst du sehr textlastig mit dünner Musik, heute passen sich deine Texte dem Mainstream-Pop an.

Bei der letzten LP habe ich nicht diesen Eindruck, im Gegenteil, die Texte sind wieder bilderreicher geworden. Die Beziehungstexte zum Beispiel gehen nicht vom harmonischen Zustand zwischen Partnern aus, sondern schildern das ganze Ausmaß der Schwierigkeit, Harmonie herzustellen.

Diese Entwicklung hin zu Pop-Musik ist für dich eine ehrliche Entwicklung?

Das war eine Lust, die von Anfang an da war, es fehlte mir nur der musikalische Mut. Die ersten Platten sind in einem kleinen Studierzimmer mit einer Wandergitarre und einem Klavier entstanden. Da gestaltete ich musikalisch natürlich anders als heute, wo mir in einem Studio alle Instrumente zur Verfügung stehen. Dann darf man nicht vergessen, daß meine ersten Platten entstanden, bevor ich andere Musiker kannte. Ich hatte ja vor meinem ersten Plattenvertrag keine Amateurkarriere hinter mir. Der Vertrag war mein erstes öffentliches Auftauchen. Daraufhin mußte ich im Laufe der Jahre die Leute finden, die zu mir passen und musikalisch darauf einsteigen, was mir einfällt. Insofern dokumentieren meine LP's von 1981 bis heute meinen öffentlichen Lernprozeß.

Trauerst du heute deinen Texten von früher nach?

Die Texte waren o.k., die bereue ich nicht. Aber wenn ich mich heute an die ersten Konzerte erinnere, fällt mir ein, daß die Zuhörer - bei den wenigen Menschen, die damals gekommen sind - die Sprechtexte zwischen den Stücken als das Hauptding ansahen und die Musik nur in Kauf nahmen. Viele haben nur auf die sarkastischen Jawoll-Effekte gewartet.

Auf deiner laufenden Tour verzichtest du aber nicht auf die Zwischentexte?

Natürlich nicht. Die Tatsache, daß man bei Rock-Musik die Texte nicht immer versteht, ist leider nicht zu umgehen. Die Sprechpassagen ermöglichen es, manchmal sogar tagesbezogen etwas zu sagen. Es gefällt mir, wenn das Publikum dabei registriert, daß ich die gleichen Dinge mitkriege wie sie auch. Das ist eine sehr lustvolle Sache, auf diese Weise Gemeinsamkeit zu stiften für zweieinhalb Stunden, mindestens. Manchmal reicht es ja auch darüber hinaus. Dann wäre ich schon ein großer Tröster.

Dir geht es um Trost?

Es geht auch um Trost. Nicht nur in Briefen, sondern auch im Konzert spürt man immer wieder, daß - wenn man nun schon verstanden wird, weil man auf deutsch arbeitet - die Leute viel von einem fordern. Ich habe nicht diese coolen Neonleute, an denen alles scheinbar abperlt im Publikum, schließlich bin ich nicht trendy. Vielmehr erlebe ich, daß Kids in den ersten Reihen, die gekommen sind wegen Dein ist mein ganzes Herz - plötzlich mit offenem Mund dastehen und erstaunt sind darüber, was ich sonst noch mache. Die hören dann auch bei anderen Texten zu. Manche Dankbarkeitsreaktionen, die ich zurückbekommen habe, sagen dann: Wir sind froh darüber, daß einer uns Begriffe angeboten hat für Dinge, die wir nicht richtig in Worte kleiden konnten, aber auch so ahnten.

Heinz Rudolph Kunze, Do und Fr, 20 Uhr, Tempodrom.

Interview: Hans-Hermann Kotte