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Praktizierte Vorbeugehaft

■ ASOG-Festgenommene klagen Polizei wegen Freiheitsberaubung an

Als die vier jungen Leute am Donnerstag, dem 29. September 1988, dem letzten Tag der Anti-IWF-Aktionswoche, den Kurfürstendamm in Richtung Breitscheidplatz runterbummelten, wurden sie an der Joachimsthaler Straße von der Polizei angehalten. Die vier mußten sich durchsuchen und nach ihrem Wegziel fragen lassen. Wenig später konnten sie weitergehen. Ein den Polizisten zugerufenes „Tschüss, bis später“ veränderte die Situation schlagartig: Mehrere Beamten stürzten sich unverzüglich auf den Rufer und schleppten ihn kurzerhand in eine wartende Wanne. Den verblüfften Begleitern erklärte der Einsatzleiter: „Festgenommen nach ASOG. Das 'bis später‘ muß als Drohung gewertet werden, denn schließlich wird am Wittenbergplatz noch demonstriert.“

Vor und während der Anti-IWF-Kampagne wurden nach Angaben des Ermittlungsausschusses über 900 Personen nach dem „Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz“ (ASOG) inhaftiert bzw. erkennungsdienstlich behandelt. Innensenator Kewenig will allerdings nur von 525 „Maßnahmen nach ASOG“ wissen.

Was die Kritiker bereits vor der Einführung des ASOG Mitte der siebziger Jahre befürchteten, ist während der Tagung von IWF und Weltbank aufs gröbste praktiziert worden: die mit keinem Gesetz legitimierte Vorbeugehaft. Sowohl im Grundgesetz als auch im Paragraph 19 ASOG (Abs. 1) heißt es unzweideutig, daß Festgenommene unverzüglich dem Richter vorzuführen sind. Viele der ohne jeden Anlaß Festgenommenen haben jedoch zum Teil länger als 24 Stunden unter unmenschlichen Haftbedingungen gesessen, ohne je einen Richter zu sehen. Andere Inhaftierte wurden nach Stunden einem Richter vorgeführt, der dann zwar die sofortige Freilassung anordnete; tatsächlich erfolgte die Freilassung aber erst Stunden später. Einem Großteil der wieder Freigekommenen wurde unterdessen eine Rechnung für Kost und Unterbringung im Polizeigewahrsam angekündigt. Inzwischen haben einige der Betroffenen die Polizei wegen Freiheitsberaubung angezeigt. Die taz dokumentiert Auszüge aus Protokollen, die von Festgenommenen nach ihrer ASOG -Inhaftierung am 27. und 28. September angefertigt wurden. Die Namen sind der taz bekannt.

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