piwik no script img

Hitlers Hellseher

■ Istvan Szabos müdes Melodram „Hanussen“

Das hätte ein spannender Film werden können. Das Thema jedenfalls ist spannend genug: die Nazis und das Okkulte. Allerhand Verschwörungsgeschichten von Thule-Ringen, braunen Schwarzmagiern und Nazi-Übersinnlichem ließen sich da erzählen, noch dazu, wenn man, wie Istvan Szabo es nach Mephisto und Oberst Redl zum dritten Mal tut, ein Einzelschicksal in den Mittelpunkt stellt. Es geht um den im Berlin der dreißiger Jahre berühmten Hellseher Erik Jan Hanussen.

Doch es kommt nichts rüber von der Melange zwischen Politik und Mystik, das politische und (para-)psychologische Umfeld bleibt ebenso unterbelichtet wie Kontur und Profil der Hauptperson. Für Klaus Maria Brandauer ist der Hellseher alles andere als eine strahlende Rolle, der magische Blick will nie so recht zünden, eher täppisch als dämonisch zaubert er sich durch eine unvermittelte, belanglos wirkende Geschichte.

Nach einer schweren Kopfverletzung entdeckt und fördert ein Militärarzt Hanussens merkwürdige Fähigkeit, in die Zukunft zu blicken. Aus dem Soldaten wird der Berufs-Hellseher, für die Nazis schon alleine deshalb brauchbarer, weil er auf einer Pressekonferenz den Reichskanzler Hitler voraussagt. Jedoch als er einige Zeit später auch den Brand des Reichstags prognostiziert, bringen sie ihn um.

Die Brisanz dieser Geschichte aber - die Frage nämlich nach der Verstrickung des Unpolitischen in das Spiel böser Mächte - tritt kaum zutage. Das liegt weniger an den mangelnden Okkult-Künsten Brandauers - auch der wirkliche Hanussen arbeitete auf der Show-Bühne mit höchst irdischen Tricks als an der Dürre der Story. Die authentische Lebensgeschichte des jüdischen Tricksters Hermann Steinschneider alias Hanussen liest sich allemal spannender als Szabos müdes Melodram (so etwa in Geza von Cziffras Buch über den Hexenmeister).

Man muß kein Hellseher sein, um diesem Film leere Kinos zu prognostizieren.

Mathias Bröckers

Istvan Szabo: Hanussen, Buch: Szabo und Peter Dobai, mit Klaus Maria Brandauer, Erland Josephson, Grazyna Szapolowska, Ungarn/BRD 1988, Min.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen