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Kommunalwahlen - und keiner geht hin

Am 26.Oktober finden in Südafrika Kommunalwahlen statt / Oppositionsgruppen propagieren Wahlboykott / Schlechte Beteiligung würde als Absage an die regierende „Nationale Partei“ gewertet / Gewinne für die ultrarechte „Konservative Partei“ vorausgesagt  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

„Wählt am 26.Oktober, und es wird was passieren!“ Die Plakate, die zur Beteiligung an den Kommunalwahlen in Südafrika aufrufen, sind im ganzen Land in schwarzen Wohngebieten zu finden. Die Botha-Regierung gibt Millionen aus, um mit Plakaten, im Fernsehen und Radio und mit ganzseitigen Zeitungsanzeigen für die Wahlen zu werben. Immerhin steht die Glaubwürdigkeit des gesamten „Reformprogramms“ der regierenden „Nationalen Partei“ (NP) auf dem Spiel.

In den weißen Städten kommt der Druck von rechts. Die ultrarechte „Konservative Partei“ (CP) will die von der NP eingeführte „Integrierung“ der Rassen umkehren, will strikte Trennung nach altem Apartheid-Muster wieder einführen. Tatsächlich ist zu erwarten, daß die CP auf dem Lande die NP verdrängen wird. Für Inder und sogenannte Mischlinge, die seit 1984 ihre eigenen Kammern im Drei-Kammernparlament haben, sind diese Wahlen ein Votum über die Akzeptanz dieses Modells der „Teilung der Macht“.

Am wichtigsten sind die Kommunalwahlen allerdings in den schwarzen Townships. Die schwarzen Lokalverwaltungen sollen die Bausteine für die komplizierte Verwaltungsstruktur sein, die Schwarzen ein Mitspracherecht „am Entscheidungsprozeß bis auf die höchste Ebene“ garantieren soll. Eine schlechte Wahlbeteiligung der schwarzen Bevölkerung könnte das Ende der Reformpläne bedeuten.

Schwarze Lokalverwaltungen wurden in ihrer derzeitigen Form 1983 gegründet. Doch schon vor fünf Jahren lag die Wahlbeteiligung offiziell bei nur 21 Prozent. Widerstandsgruppen schätzen, daß sich tatsächlich weniger als zehn Prozent der Wahlberechtigten beteiligten. Statt dessen hat die Bevölkerung massiv gegen die als Marionetten der Regierung verurteilten Verwaltungen protestiert. Das Oppositionsbündnis „Vereinigte Demokratische Front“ (UDF) wurde 1983 eigens gegründet, um gegen die neuen Lokalverwaltungen und andere „Reformvorhaben“ der Regierung zu protestieren.

Im September 1984 kamen innerhalb von vier Wochen 60 Menschen ums Leben, als die Bevölkerung in Townships südlich von Johannesburg gegen eine von der örtlichen Lokalverwaltung erlassene Mieterhöhung protestierte. Mieten für die berüchtigten „Streichholzschachtel„-Häuser in den Townships sind die einzige Einkommensquelle der schwarzen Lokalverwaltungen. Die Proteste dehnten sich schnell auf das ganze Land aus. Zahlreiche Stadtverwalter wurden getötet, andere mußten aus „ihren“ Townships flüchten und in Hochsicherheitsenklaven unter Polizeischutz leben. Ende 1985 funktionierten nur noch drei schwarze Stadträte in Südafrika. Widerstandsgruppen gründeten indessen eigene, alternative Verwaltungsstrukturen. Gleichzeitig wurden die Mietzahlungen an die Lokalverwaltungen boykottiert.

Erst die Verhängung des Ausnahmezustandes Mitte 1986 konnte die Proteste unterdrücken. Zehntausende wurden ohne Gerichtsverfahren verhaftet und alternative Strukturen zerstört. Die Mietboykotte halten allerdings bis heute an. Im Industriegebiet um Johannesburg belaufen sich die Mietrückstände auf 328 Millionen Rand (etwa 262 Millionen Mark).

Die südafrikanische Regierung bleibt fest entschlossen, den Townships ihre eigenen Verwaltungen aufzuzwingen. Allerdings sucht sie schon jahrelang vergeblich nach „gewählten schwarzen Führern“. Die Kommunalwahlen sollen solche „Führer“ produzieren. Sie dürfen sich dann als Vertreter der Schwarzen an anderen Regierungsgremien beteiligen. Darunter ist auch der geplante „Nationalrat“, der eine neue Verfassung für Südafrika produzieren soll.

Um ihr Ziel zu erreichen, hat die Regierung eine doppelte Strategie der Repression einerseits und der Verbesserung der Infrastruktur in den Townships andererseits entwickelt. Die Regierung hofft, damit den Grund für Proteste zu entfernen. Diese Strategie wird von einem landesweiten Netz geheimer Komitees koordiniert, die von den Generälen im Staatssicherheitsrat kontrolliert werden. Riesensummen werden in Townships, in denen der Widerstand in den letzten Jahren besonders stark war, ausgegeben. Für die 120.000 Einwohner von Alexandra, nördlich von Johannesburg, wurden im letzten Jahr beispielsweise 90 Millionen Rand (72 Millionen Mark) für den Bau von Straßen, Stromleitungen, Schulen usw. spendiert. In Soweto, mit seinen mehr als 1,5 Millionen Einwohnern, standen nur 7,7 Millionen Rand (6,2 Millionen Mark) zur Verfügung.

Diese Strategie kann zwar oberflächlich für Ruhe sorgen. Aber der Widerstand gegen die Stadträte ist so tief verwurzelt, daß nichts die Bevölkerung zur Beteiligung an Regierungsstrukturen bewegen kann. So haben Arbeiter im Johannesburger Schlachthof Wahlformulare verbrannt, die von den Arbeitgebern verteilt worden waren. Und in Alexandra wird es am 26.Oktober keine Wahl geben. In jedem Wahlkreis gibt es nur einen Kandidaten. Sie sind schon jetzt „ohne Gegenstimme gewählt“. Dasselbe gilt für ein gutes Drittel aller Wahlkreise, die in der Provinz Transvaal zur Verfügung stehen. In der Kapprovinz sieht es in 22 Townships ähnlich aus. In vier Gebieten werden die Stadträte nach den Wahlen kein Quorum haben, weil zu wenige Kandidaten aufgestellt wurden. In der östlichen Kapprovinz zeigt sich der Widerstand gegen die Lokalverwaltungen noch deutlicher. In vier Townships war niemand bereit, für die Verwaltungen zu kandidieren.

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