: Haftbefehl gegen NS-Mörder
UdSSR bietet Beweise gegen Maikovskis an / Der Kriegsverbrecher erhielt ein Visum für die Bundesrepublik, weil „nichts gegen ihn vorliegt“ / Die Staatsanwaltschaft ermittelt jetzt wegen Mordes und Beihilfe zum Mord ■ Von Gerd Nowakowski
Berlin (taz) - Der in die Bundesrepublik geflohene NS -Kriegsverbrecher Maikovskis ist in Münster vorläufig festgenommen worden. Heute soll über die Anordnung einer U -Haft entschieden werden.
Die Festnahme stützt sich auf eine erste Prüfung von Ermittlungsakten, die die Ludwigsburger Zentralstelle für NS -Verbrechen vor über 20 Jahren gegen Maikovskis führte. Zu einer Anklage kam es damals nicht, weil sich der ehemalige Kommandeur einer Sondereinsatztruppe der Nazis in den USA aufhielt. Jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen Mordes und Beihilfe zum Mord.
Die Sowjetunion, die Maikovskis 1965 in Abwesenheit zum Tode verurteilte, hat den deutschen Justizbehörden Zusammenarbeit und Beweismaterial angeboten. Dies ist offenbar eine Reaktion darauf, daß zwischen der UdSSR und der Bundesrepublik kein Auslieferungsabkommen besteht.
Die Sowjetunion sei bereit, Maikovskis „zusammen mit den Gerichtsorganen der BRD seiner Verbrechen zu überführen“, sagte der Sprecher des Moskauer Außenministeriums, Gerassimow. Maikovskis erhielt sein Visum für die Bundesrepublik in einem Paß der lettischen Exil-Regierung, die von den USA anerkannt wird. Die Sowjetunion betrachtet Maikovskis allerdings als sowjetischen Staatsbürger.
Maikovskis soll nach Gerassimows Worten für die Erschießung von 300 Einwohnern, darunter Frauen und Kindern, im lettischen Dorf Autrine verantwortlich sein. Andere Berichte sprechen von einer Beteiligung an der Ermordung von 15.000 Menschen.
Maikovskis, der bis zu seiner Übersiedlung in die USA im Jahre 1951 in der Bundesrepublik lebte, blieb hier völlig unbehelligt. In der Bundesrepublik ist im Zusammenhang mit den Verbrechen in Lettland lediglich gegen einen Vorgesetzten Maikovskis wegen Mordes in zwei Fällen verhandelt worden.
Der Beschuldigte habe ein Visum erhalten, weil gegen ihn in der Bundesrepublik „nichts vorliegt“, erklärte der Sprecher des Bonner Außenministeriums, Chrobog. Ein Antrag auf eine ständige Aufenthaltserlaubnis, den Maikovskis vor mehreren Jahren gestellt hatte, wurde jedoch abgelehnt; offenbar in Kenntnis der Vorwürfe gegen Maikovskis.
Die Sowjetunion hatte den USA 1976 eine Liste von 150 in der Sowjetunion verurteilten Nazi-Kriegsverbrechern, unter ihnen Maikovskis, überreicht. Nach zehnjährigem Rechtsstreit verfügte der Oberste Gerichtshof der USA Maikovskis‘ Deportation, vollzog sie aber nicht.
Maikovskis‘ Verschwinden war in den USA erst vor wenigen Tagen bemerkt worden. Wie berichtet, hatte Maikovskis sich bereits vor einem Jahr unbemerkt in die Bundesrepublik abgesetzt und hier um politisches Asyl gebeten.
Oberstaatsanwalt Schacht von der nordrhein-westfälischen Zentralstelle für NS-Verbrechen in Dortmund erklärte, man nehme das Angebot der Sowjetunion „gerne an“, man sei auf sowjetische Hilfe angewiesen, insbesondere beim Auffinden von Zeugen. Die neue Schreibweise Maikovskis‘ ergibt sich aus den jetzt vorliegenden persönlichen Unterlagen des Beschuldigten.
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