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Einer lügt: Scherf oder Tepperwien

■ Wer sorgte dafür, daß behördliches Galla-Sündenregister Oppositionsfraktionen vorenthalten wurde? Arbeiter-Samariter und SPD-Abgeordneter Fritz Tepperwien widerspricht Senator Henning Scherf

Einer hat gelogen. Entweder der Zeuge Fritz Tepperwien hat gestern vor dem Untersuchungsausschuß St.-Jürgen-Straße die Unwahrheit gesagt oder Sozialsenator Henning Scherf hat seiner Wahrheitspflicht nicht genügt, auf die er bei seiner Vernehmung im Juni - wie jeder andere Zeuge - ausdrücklich hingewiesen wurde.

Fritz Tepperwien gehört zu jener Kategorie von menschlichen Multitalenten, die einem im Zusammenhang mit dem Bremer Krankenhaus-Skandal in kaum zufälliger Häufigkeit begegnen und die es mit schöner Regelmäßigkeit verstanden, ihre privaten, beruflichen und politischen Tätigkeiten in höchst fruchtbarer Weise miteinander zu verknüpfen. Fritz Tepperwien z.B. ist seit 1971 Bürgerschaftsabgeordneter, seit 1975 Sprecher der Gesundheitsdeputation, nebenher Landesvorsitzender des Arbeiter-Samariter-Bundes und obendrein hauptamtlicher Geschäftsführer

der ASB-Tochter „Altenwohn und Pflegeheim GmbH“. Als gesundheitspolitischem Parlamentarier oblag Tepperwien z.B. die Kontrolle des größten Bremer

Krankenhauses in der St. Jürgen-Straße und ihres Verwaltungs -Chefs Aribert Galla. Umgekehrt oblag Aribert Galla die Kontrolle des ASB-Geschäftsführers Tep

perwien. Galla war „nebenher“ Aufsichtsratsvorsitzender der ASB-Wohnheim GmbH. „Freundschaftlichen Kontakt, aber keine privaten Beziehungen“ hätten die beiden Kontrolleure auf Gegenseitigkeit gepflogen, ließ Galla den Untersuchungsausschuß gestern wissen.

Nicht privat, sondern qua Amt erhielt der SPD -Gesundheitdeputierte Tepperwien am 14.12. 1987 ein 66seitiges Papier aus der Behörde des kommissarischen Gesundheitssenators Henning Scherf. Scherf, damals schon wild entschlossen, Galla als Klinik-Verwaltungschef abzusetzen, hatte darin nochmals eine umfangreiche Liste der Versäumnisse und Unfähigkeitsbelege Aribert Gallas zusammenstellen lassen. Mit ihr wollte Scherf am 17.12. den eigens einberufenen Krankenhausausschuß der Bürgerschaft von der geplanten Absetzung Gallas informieren. Allerdings: In den Händen der Ausschußmitglieder landete das behördliche Galla-Sünden-Register nie. Lediglich die „lieben Genossen“ im Ausschuß hatten vorab je ein Exemplar bekommen.

Warum das Papier nicht auch den Parlamentariern der Opposition zugänglich gemacht wurde, beantwortete Henning Scherf bei seiner Zeugenvernehumung im Juni so: „Leider ist die Vorlage auf Wunsch der SPD-Deputierten nicht verteilt worden. Die haben mich gebeten, die nicht zu verteilen.“ Fritz Tepperwien wollte davon und gestern nichts wissen: „Da irrt Herr Dr. Scherf.“

Besondere Pikanterie an dem zurückgehaltenen Armutzeugnis für den Klinikverwaltungsdirektor: Es war eigentlich auf ausdrücklichen Wunsch des CDU-Abgeordneten Klein zusammengestellt worden. Aufgrund erster Pressemitteilungen über Unregelmäßigkeiten und Bestechungsvorwürfe hatte Klein den Senator um eine „Stellungnahme zu Medienberichten über unhaltbare Zustände im Krankenhaus St.-Jürgen-Straße“ gebeten. Die Antwort allerdings erhielt nicht mehr der CDU -Abgeordnete Klein, sondern der SPD-Abgeordnete Tepperwien. Er habe den Bericht zwar unzureichend gefunden, berichtete Tepperwien gestern. In die Entscheidung, ob sie den Oppositions-Mitgliedern des Krankenhausausschusses zugänglich gemacht wird, habe er dem Senator aber nicht hineingeredet, wies Tepperwien den Verdacht zurück, parlamentarischen Kontrollgremien entscheidende Informationen vorenthalten zu haben.

Wer die Wahrheit gesagt und wer gelogen hat, hätte der Untersuchungsausschuß gestern am liebsten gleich geklärt. Schriftlich ließ er Henning Scherf direkt in die Sitzung laden. Ohne Erfolg. Scherf ließ sich mit wichtigen Terminen entschuldigen. Zwei Mitglieder des Ausschusses kennen sie allerdings auch so schon. Die SPD-Abgeordneten Elke Steinhöfel und Erik Peters. Sie waren dabei, als entschieden wurde, das Papier nicht weiterzugeben.

K.S.

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