: Terroranklage gegen Polizisten
Die beiden spanischen Polizeibeamten Amedo und Dominguez hatten 1986 in Portugal Söldner für die „Antiterroristischen Befreiungsgruppen“ (GAL) angeworben / Auf ihr Konto gehen sechs Mordversuche ■ Aus Madrid Antje Vogel
Wirklich überrascht war wohl niemand. Dennoch ging ein Seufzer der Erleichterung durch die spanische Öffentlichkeit, als am Montag die Richter am Madrider Staatsgerichtshof verkündeten, gegen die beiden Polizeibeamten Jose Amedo Fouce und Michel Dominguez werde Anklage erhoben. Sie werden beschuldigt, der bewaffneten Gruppe GAL („Antiterroristische Befreiungsgruppen“) anzugehören; an zwei Anschlägen dieser Gruppe mit Mordversuch an sechs Personen sollen sie persönlich beteiligt gewesen sein.
Die Kammer geht davon aus, daß die beiden Beamten Ende Januar 1986 „offenbar in offiziellem Auftrag“ nach Lissabon reisten, dort mehrere Söldner anheuerten und nach Frankreich brachten. Dort wurden den Söldnern Waffen übergeben und die Anschlagsziele mitgeteilt. Am 8.Februar 1986 drangen sie im südfranzösischen Bayonne in die Bar „Batzoki“ ein, die hauptsächlich von baskischen Flüchtlingen besucht wird, und feuerten ihre Magazine gegen die Barbesucher ab. Dabei wurden fünf Personen verletzt. Wenige Tage darauf reisten die Söldner nach St.-Jean-de-Luz und schossen dort in einer Bar auf einen baskischen Flüchtling, der ihnen von ihrem spanischen Verbindungsmann angegeben worden war. Der Baske wurde schwer verletzt.
Im Rahmen der ETA-Bekämpfung auf allen Ebenen hatten die GAL zwischen 1983 und 1987 im französischen Baskenland zahlreiche blutige Anschläge verübt, denen 29 Menschen zum Opfer fielen, um unter den baskischen Flüchtlingen Angst zu verbreiten und dadurch die ETA zu schwächen. Als im Sommer 1986 die französische Regierung begann, baskische Flüchtlinge an Spanien auszuliefern, hörten die Anschläge plötzlich auf; sie waren unnötig geworden.
Daß hinter den GAL spanische Institutionen stecken könnten, hatten spanische Linke schon immer vermutet. Dieser Verdacht war durch Untersuchungen der französischen und portugiesischen Justiz erhärtet worden. Hartnäckige Recherchen der Tageszeitung 'Diario 16‘ und die Erhebung einer Art Nebenklage im Namen von über 100 Bürgern führten schließlich zur Aufnahme eines Ermittlungsverfahrens, das nun in die Anklageerhebung mündete.
Die sozialistische Regierung hat sich in diesem Fall immer als außerordentlich zurückhaltend erwiesen. Amedo sei in offiziellem Auftrag gereist, ließ der damalige Innenminister Jose Barrionuevo dem Untersuchungsrichter Baltasar Garzon im Frühjahr mitteilen. Die Kosten der Reise seien aus einem Sonderfonds bestritten worden. Welchen Auftrag der Herr Amedo gehabt habe, könne er aber nicht sagen.
Auch über den Sonderfonds mochte Barrionuevo keine näheren Auskünfte geben. Regierungschef Gonzales schließlich löste heftige Heiterkeit aus, als er sein Ehrenwort gab, der Staat habe die GAL nicht finanziert.
Jetzt müsse weiter nach den politisch Verantwortlichen gesucht werden, mahnte am Dienstag abend der Anwalt der Nebenklage, Fernando Salas. In diesem einen Punkt ist sich Salas mit der Polizei einig. Der Vorsitzende der Berufsgewerkschaft der Polizei, Miguel Martin Pedraz, erklärte, die beiden Polizisten könnten unmöglich allein die Initiative zu den Anschlägen ergriffen haben - solange nur gegen sie ermittelt werde, verhindere man, daß „etwas mehr untersucht wird“.
Die Anklageschrift läßt Raum für die Erweiterung der Anklage auf andere Personen. Doch die Sozialisten werden ihre bewährte Mauerpolitik wohl weiterführen: Am Dienstag abend lehnten sie mit ihrer Stimmenmehrheit einen Antrag der linken Opposition und der zentristischen CDS ab, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß einzurichten, um die politischen Verantwortlichkeiten zu klären.
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