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Wendezeit

■ DKP-Führung auf der Flucht nach vorn

Es ist noch kein Jahr her, daß ein DKP-Genosse das Ungeheuerliche wagte: er gab dieser Zeitung ein Interview, in dem er ketzerisch forderte, die Kommunisten müßten mehr ihren eigenen Kopf gebrauchen. Nur knapp entging er damals einem Parteiausschuß, vier andere Mehr-Demokratie fordernde Genossen hatten weniger Glück. Denn der Vorstand befand: Die These vom krisenhaften Zustand der Partei ist falsch.

Heute scheint alles anders. Dem Vorsitzenden selbst kann es nicht schnell genug gehen mit der Demokratisierung der Partei. Gorbatschow sitzt der arbeitertümelnden Führung im Nacken und die katastrophalen innerparteilichen Wahlergebnisse drücken auf ihr Gemüt. Denn die Wirklichkeit überholt die Theorie spielend. Die „Partei der Arbeiterklasse“ ist nämlich eigentlich eine „der Hochschulabsolventen“. So gibt es jetzt einen Aufstand der Jungen und der Intelligenz. Wenn sie auch die Wirklichkeit nicht mehr recht versteht, eines hat die alte Garde dort gut gelernt: sich immer an der Macht zu halten. So auch jetzt, indem sie einem staunenden Publikum vorexerziert, wie man sich innerhalb nur eines Monats von einem ideologischen Hardliner zu einem politischen Weichspüler entwickeln kann.

Die Reformer waren auf dem Vormarsch, jetzt haben sich der Vorsitzenden und seine Leute mit einem Kraftakt an die Spitze katapultiert, um ihnen den scharfen Wind der seit Jahrzehnten fälligen Kritik spielend aus den Segeln zu nehmen. Sie handeln nach dem uralten Motto: Es muß sich etwas ändern, damit alles bleibt , wie es ist. Vor allen Dingen: sie oben! Dabei sind sie ein Teil der Krise.

Reiner Scholz

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