Ein Wandsbeker Apparatschik ohne Bierbauch

■ Ein Politpsychogramm des Jung-Bürgrmeisters Dr.Henning Voscherau: Immer freundlich, immer konzentriert - und messerscharf im Intrigieren

Dr.Henning Voscherau ist ein Mann, der sich vom Stallgeruch der Hamburger SPD umweht pudelwohl fühlt. Wo andere, wie sein Amtsvorgänger Dohnanyi, rümpfend die Nase hochziehen, atmet er den Duft angestammter Macht.

Seine politische Kinderstube hatte er im Bezirk Wandsbek, wo die sogenannte SPD-Wandsbek-Connection seit Jahrzehnten Macht- und Personalpolitik mit allerschärfster Konsequenz betreibt.

So konnte beispielsweise Alfons Pawelczyk während seiner Amtszeit als Innensenator fast die komplette Wandsbeker SPD Funktionärsspitze mit dem Behördentelefon der Innenbehörde zusammentrommeln.

Voscherau war und ist der Jungstar dieser Truppe. Als genialster Parteitaktiker machte er der alten Wandsbek-Garde vor, wie man ohne Bierbauch, Trunkenheit am Steuer und polternde Hemdsärmeligkeit nach Manier der Altvorderen Politik machen kann. Wer Henning Voscherau auf SPD -Versammlungen im kleineren Kreis erlebt, wird unwillkürlich an das südeuropäische Klientel-System erinnert: Der „Pate“ Voscherau geht durch die Reihen, leiht sein Ohr, empfängt Bittsteller. Immer freundlich, immer konzentriert. Alte Haudegen, die sich noch eben privat über Voscherau das Maul zerrissen haben, werden ganz klein.

Voscherau spendiert vorsichtige, zumeist sehr unscharf fomulierte Versprechungen. Messerscharfe Intrigen, Treue gegenüber den Lieferanten von Information und politischer Unterstützung - das sind die politischen Merkmale des Henning Voscherau.

In der Rolle des Stadtvaters, der ein bißchen auch über den Parteien stehen sollte, tut sich Voscherau schwer. Als Mann des parteipolitischen Heimspiels haßt er Koalitionen. Statt mit der CDU zu koalieren, was Dohnanyi Anfang 1987 anstrebte, wäre Voscherau notfalls in die Opposition gegangen.

Die FDP kann und will er nicht ernstnehmen. Wie er als Person für ein großes politisches Profil zu schwach ist, braucht er den schützenden Mantel der ihm vertrauten Parteimacht.

Kein Wunder, daß der Taktiker und Apparatschik Voscherau nur ein politisches Ziel kennt. Er will mit seiner Partei allein regieren oder untergehen. Macht ging ihm schon immer vor politischen Inhalt. Sein Credo: Geht es der SPD gut, dann geht es auch Hamburg gut.

So will er Wählerstimmen auch nicht mit Erfolgen in der Arbeitsmarkt- und Umweltpolitik gewinnen, sondern im kalkulierten Gerangel mit FDP und CDU. Voscheraus Arbeitshypothese: Wenn die SPD die absolute Mehrheit will, müssen wir zuerst die CDU kleinhalten. Aber gleichzeitig und hier setzen die Intrigen des glatten Hennings an - darf auch die FDP nicht allzu sehr vom CDU-Niedergang profitieren.

Florian Marten