piwik no script img

Berlin: „Schande für die Stadt“

Berliner Abgeordnetenhaus debattiert Mißtrauensanträge gegen Innensenator Kewenig / SPD, FDP und SPD feiern Weltbanktagung als Erfolg / Entscheidung über Anträge nächste Woche /AL: Türkische Verhältnisse  ■  Aus Berlin Wolfgang Gast

Die Debatte des Berliner Abgeordnetenhauses zu den Mißtrauensanträgen gegen den Innensenator Kewenig geriet gestern zu einem platten Resümee der vergangenen IWF- und Weltbanktagung. Die Regierungsparteien von CDU und FDP feierten, daß der Ruf Berlins als internationale Kongreß -Stadt keinesfalls beeinträchtigt wurde. Kurzerhand wurden dabei auch die KritikerInnen der Weltbanktagung vereinnahmt: Ihnen sei zu verdanken, daß der „Geist der Auseinandersetzung“ (Bürgermeister Diepgen) zu einem Teil der Weltbanktagung wurde.

Im Mittelpunkt der Aussprache stand Innensenator Kewenig und seine Rechtfertigung der Polizeiübergriffe auf PressevertreterInnen.

Das Wort Kewenigs, „Die Pressefreiheit muß am Tatort schon einmal zurückstehen“, machte ebenso die Runde wie der Inhalt eines polizeilichen Rundschreibens, nach dem die „Eigenverantwortlichkeit“ der Polizeikräfte „in jedem vertretbaren Maß duch Polizei und Politik gedeckt“ werde. In seiner Rede blieb der Innensenator bei seiner Auffassung, nach der „die Pressefreiheit, so wichtig wie sie ist, nicht immer im Einzelfall obsiegen“ muß.

Klaus Landowski, stellvertretender Vorsitzender der Berliner CDU stellte sich in der teilweise hitzigen Debatte voll vor den Verfassungssenator: „Wenn ein Haus brennt, dann muß es gelöscht werden. Da kann man doch nicht warten, bis die Fotografen ihre Bilder gemacht haben.“

SPD-Chef Momper sprach dagegen von „einer Schande für diese Stadt“. Wenn er Berichte über Pressebehinderungen lese, wisse er langsam nicht mehr, ob diese in Ost- oder West -Berlin geschähen. Unter Bezug auf den Hinausschmiß der türkischen AL-Abgeordneten Celebi-Gottschlich beim Dienstags -Empfang für den türkischen Staatspräsidenten Evren erklärte Wolfgang Wieland für die Alternative Liste, es finde weniger eine Demokratisierung in der Türkei statt als eine Ausprägung türkischer Verhältnisse in Berlin.

Im Gegensatz zu allen anderen Fraktionen betonte Wieland, die Überrgriffe auf die Pressevertreter stellten keine Einzelfälle dar. Behinderungen von Journalisten hätten leider Tradition in der Stadt. Die „Systematik“ zeige sich auch darin, „daß nichts in Richtung Aufklärung, Identifizierung und Verurteilung der Beamten geschieht“.

Über die Mißtrauensanträge der SPD und Alternativen Liste soll in der kommenden Woche entschieden werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen