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Kieler CDU: Alles umsonst

Barschels Geburtstagsbrief an Stoltenberg ist echt, aber belanglos / Er kann lange vor dem letzten Gespräch zwischen Barschel und Stoltenberg geschrieben worden sein / CDU fürchtet Fortsetzung der Diskussion  ■  Aus Kiel P.Bornhöft/M.Kempe

Bereits einen Tag nach der Veröffentlichung eines Geburtstagsbriefes von Uwe Barschel an Stoltenberg erwies sich gestern in Kiel die Verteidigungsstrategie der CDU als Fehlschlag. Am Donnerstag hatte die CDU das auf den 28. September 1987 datierte Schreiben veröffentlicht. Daraufhin hieß es nicht nur bei der CDU: „Barschel kann doch nicht in fünf Tagen seine Meinung über Stoltenberg geändert und am 3. Oktober einen Brief geschrieben haben, der den Finanzminister so heftig beschuldigt.“

Bereits am Abend erhielt die taz aus CDU-Kreisen Hinweise, wonach der Geburtstagsbrief für die Bewertung von Echtheit und Inhalt des umstrittenen Drohbriefes belanglos ist. Dieser Ansicht schloß sich gestern auch gegenüber der taz der ermittelnde Oberstaatsanwalt Lothar von Raab-Straube an: „Der Geburtstagsbrief besagt nicht viel.“ Von CDU-Leuten war zu hören: Erstens sei „in den fünf Tagen zwischen den beiden Briefen viel passiert“. Zweitens ist es durchaus wahrscheinlich, daß Barschel den Geburtstagsbrief lange vor seinem letzten Gespräch mit Stoltenberg am Nachmittag des 28. September geschrieben hat. Dazu ein Kieler CDU-Mann mit langjähriger Behördenpraxis: Solche Briefe „erledigt man eine Woche vorher und die Sekretärin achtet auf das richtige Absendedatum.“ Stoltenberg feiert immer am 29. September das Wiegenfest. „Das Thema ist noch längst nicht beendet“, befürchtet die CDU.

In der Kieler Parteizentrale war Donnerstag vormittag Hektik ausgebrochen, als Journalisten daran erinnerten, Stoltenberg habe im Oktober vergangenen Jahres vor Parteigremien über einen Brief Barschels gesprochen. Diese Information stammte aus CDU-Kreisen. Umgehend telefonierte die Kieler Parteispitze mit dem Bonner Finanzministerium. Dort forstete man die Ablage durch und fand „Gott sei Dank“ den Geburtstagsbrief von Barschel, in dem dieser Stoltenberg „besonderen Dank für den Beistand in den letzten Tagen“ ausspricht. Per Telekopie jagte die CDU das Schreiben ins Landeshaus, von wo die Nachricht über Agenturen verbreitet wurde. Das Aufatmen in der Partei über den „freundlichen Brief“ und die vermeintliche Erhärtung der „Fälschertheorie“ währte nur wenige Stunden. Kaum waren die ersten Zweifel an der Bedeutung des Geburtstagsbriefes aufgetaucht, resignierte ein Politiker: „Wir harren der Dinge, die da noch kommen werden“. Am Wochenende kehren erst die meisten Abgeordneten aus dem zweiwöchigen Herbsturlaub zurück. Die Fraktionssitzung am Dienstag und der am Freitag beginnende CDU-Parteitag werden in Schleswig-Holstein mit Spannung erwartet.

Die sozialdemokratische Regierungspartei beteiligt sich nicht an Spekulationen über die Echtheit des Barschel -Briefes vom 3. Oktober. Der SPD-Fraktionsvorsitzende Gert Börnsen zur taz: „Barschel war der politische Erbe Stoltenbergs. Solange Stoltenberg Parteichef bleibt, wird ein politischer Umgang mit dem Gegner, wie Barschel ihn praktizierte, immer möglich sein.“

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