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Der Justiz opfern-betr.: Leserbrief "Allein gelassen", taz vom 18.10.88

betr.: Leserbrief „Allein gelassen“, taz vom 18.10.88

1. Bis zum Beweis des Gegenteils ist der beanstandete Text von „Droste“ und nicht von Wiglaf Droste. Die Methode „Nun gib es doch endlich zu“ sollten gerade linke Rechtsanwälte doch wie bisher den Staatsanwälten überlassen.

2. Es hat für mich etwas Peinliches, wenn man von Leuten, die man nicht leiden kann, erhöhte Opferbereitschaft verlangt. Im Namen welcher Ethik hier gesprochen wird, (kategorischer Imperativ, Ehrbegriff des deutschen Mannes, oder was?) bleibt unklar, deutlich wird allein der Wunsch, alles in der taz Gelesene möge authentisch sein mit - bei Bedarf - echten Justizopfern, mit denen sich die Nicht-Opfer schmücken können. Alles andere sei Gequatsche.

3. Da der Schreibstil von Leuten wie W. Droste und D. Dietrichsen offenbar Literaturunkundige immer wieder irritiert, hier ein paar Hinweise: Bereits in den Uralt -Tagen der „Sounds“ war es üblich, in Gestalt eines „Dr. Gonzo“ eine Figur zu erfinden, für die mehrere Leute schrieben. Man schafft damit eine Rolle, eine bestimmte Perspektive, von der aus sich bestimmte Sachen klarer formulieren lassen. Diese eigentlich vom Deutschunterricht bekannte Unterscheidung von Autor und Verfasser ist offenbar für einige schon der Beginn der Lüge und zeigt mir, daß nicht nur im Kanzleramt Illiteraten sitzen. Die von „Wiglaf Droste“ veröffentlichten Texte zeichnen sich, wie ja wohl jeder bemerkt hat, durch eine frappante Abwesenheit linker wie bürgerlicher Konsensstiftungen aus.

Wenn man daraus dann den Schluß zieht, der Mensch Wiglaf Droste sei moralisch verkommen, zeigt mir das nur die grenzenlose Naivität eines Publikums, welches glaubt, Kommunikation in Massenmedien sei eine von Mensch zu Mensch. In Wirklichkeit spielt Klaus Hartung jeden Tag aufs Neue den Klaus Hartung, und zwar genauso, wie Theo Sommer den Theo Sommer spielt. Ob „Droste“ nun von Wiglaf Droste gespielt wurde oder nicht, interessiert ungefähr so brennend wie die Frage, ob in Der letzte Tango wirklich gebumst wurde oder nicht.

4. Ob Droste nun Tucholsky ist oder ein Thomas Bernhard, der endlich gelernt hat, zwischen Rolle und Person zu unterscheiden, weiß ich nicht. Von Tucholsky stammt allerdings der Satz, daß jeder Angeklagte das Recht hat zu lügen.

Im Namen von von Ossietzky, der den Glauben an den deutschen Rechtsstaat mit seinem Leben bezahlt hat, von anderen Leuten vorbildliche Opferhaltung zu verlangen, ist ja wohl etwas daneben gegriffen.

5. Als gesetzestreuer Beamter begrüße ich allerdings die im Leserbrief vertretene Position, weil jedem Autonomen klar sein dürfte, was seine möglichen Verteidiger von ihm vor Gericht erwarten: eine konsequente Haltung, die ihn in den Knast bringt und dem Rest der linken Meute das Gefühl, wirkliches Leben erlebt zu haben.

Bernhard Becker-Braun, Essen 1

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