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Frankfurts OB Brück auf der Flucht in den Zeugenstand

Verdacht gegen Frankfurts Oberbürgermeister Brück, von Bestechungungen gewußt zu haben, erhärtet / Stadtparlamentsdebatte zur Affäre wurde abgesetzt  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln - Frankfurts LokalredakteurInnen erlebten in der letzten Woche ein Wechselbad städtischer Informationspolitik. Mal war Oberbürgermeister Wolfram Brück (CDU) nicht zu sprechen, mal zitierte er die Presse ultimativ und handverlesen in sein Büro. Mal war der Sportdezernent Prof.Peter Rhein kurzfristig in Urlaub, mal präsentierte ihn Brück überraschend. Das gipfelte am Donnerstag darin, daß eine von der CDU angesagte Diskussion der Frankfurter Bestechungsaffäre im Stadtparlament ebenso plötzlich wieder von der Tagesordnung verschwand. Der Oberbürgermeister ließ die Öffentlichkeit wissen, er habe sich dem Frankfurter Landgericht im Prozeß gegen einen der Hauptbeschuldigten schon zu Beginn der Woche als Zeuge angeboten und könne deshalb nicht Rede und Antwort stehen. Krach und Tumulte gab es dann abends in der Sitzung des Stadtparlaments. SPD und Grüne versuchten zwei Stunden lang, das ungeliebte Thema dennoch auf die Tagesordnung zu bringen. Sie warfen Brück vor, seinen Anteil an dem Skandal vertuschen zu wollen. Die CDU reagierte mit tumultem Geschrei.

Inzwischen hat sich der Verdacht erhärtet, daß Brück, damals noch Personaldezernent, bereits Ende 1984 wußte, daß der Leiter des Garten- und Friedhofsamtes, Alfons Weil, der sich zur Zeit wegen Bestechlichkeit und Erpressung vor Gericht verantworten muß, bei Baufirmen abkassierte. Brück hatte immer wieder bestritten, den Mann gedeckt zu haben.

Sein Sportdezernent Rhein (CDU) mußte zugeben, daß er enge private Bindungen zur Baufirma G. hatte, die von Weil am heftigsten gerupft worden war. Die Firma ist ausgerechnet auf Sportanlagen spezialisiert. Die Vorwürfe gegen Brück waren von dem Konkursverwalter der Baufirma, die nach einem Streit mit dem Garten- und Friedhofsamtsleiter in Ungnade gefallen war, vor Gericht bestätigt worden. Er belastete auch den Leiter der städtischen Vergabekommission, Munsch. Munsch sei genau über zwei Besuche der Baufirma bei Brück informiert gewesen, habe gewußt, was dort gesprochen worden sei. Er habe dann im Auftrag des OBs mit dem Konkursverwalter einen Text ausgehandelt, in dem die Firma ihre Vorwürfe gegen Weil zurücknahm. In diesem Kontext weitet sich der Einblick in die Verstrickung zwischen Privatwirtschaft und Politik. Brück vermittelte Weil einen Rechtsanwalt, der mal eben bei ihm „über die Straße wohnt“, die Baufirma wiederum ließ sich von dessen Bekanntem vertreten. Die Gespräche der Baufirma mit Brück kamen durch Vermittlung des Hoteliers Steigenberger zustande.

Sportdezernent Rhein will von den Erpressungen nichts gewußt haben. Er war es aber, der mit dem die Baufirma betreibenden Ehepaar zusammen in Urlaub fuhr und auf dessen Bitte nach dem Krach bei Weil, als dieser Rechnungen der Firma verschleppte und Aufträge verweigerte, den Amtsjuristen vorbeischickte. Er war es auch, der diese und zwei andere Firmen zum Essen in die Bank für Gemeinwirtschaft einladen ließ. Dort mußten sie bei einem Bankett Spenden für einen Sportplatz in Israel entrichten. Er selbst bedankte sich in einem vor Gericht verlesenen Schreiben für die 15.000-Mark-Spende der Firma G. an die Stadt. Mit dem Geld fuhr eine städtische Delegation nach Israel. Zu der Frage an Firmeninhaberin G. vor Gericht, ob sie diese Spende, wieder auf eine Rechnung aufgeschlagen habe, verweigerte sie die Aussage.

Auch die „Sport- und Kulturgemeinschaft“ (SKG) spielt eine Rolle in dem, was die Frankfurter Rundschau „dieses ominöse Beziehungsgeflecht“ nannte. Dort vergnügen sich gerne städtische Bedienstete. Aber eben nicht nur die, sondern auch unter anderem das Ehepaar G. Vereinsvorsitzender ist Rhein, Geschäftsführer der Leiter des Sport- und Badeamtes, Gustav Hofmann. Und Brück sitzt ebenso wie Stadtkämmerer Gerhardt in der Vereinsleitung.

Vermutet wird mittlerweile auch, daß Brück diese privaten Beziehungen seiner Mitarbeiter mindestens schon 1987 kannte, als das Rechtsdezernat die Kündigung des Abteilungsleiters Weil formulierte. Dort lag die Ermittlungsakte gegen den Mann vor. Dem Parlament sagte Brück damals kein Wort davon. Rechtsdezernent Udo Mülle (CDU) stellte sich jetzt vor den OB. Er habe einfach versäumt, den Oberbürgermeister von dem delikaten Inhalt der Akte in Kenntnis zu setzen.

Mit Empörung reagierten SPD und Grüne auf die Absetzung der Bestechungsdebatte im Römer. Stadtverordneter Lutz Sikorski sagte, Brück habe sich damit, daß er sich hinter dem Gericht verstecke, „endgültig in die Schmuddelkiste“ begeben. Es sei Augenwischerei, wenn er den Eindruck erwecke, durch sein Angebot „Zeugenaussage“ lasse sich klären, ob er von den Bestechungen gewußt habe oder an ihnen beteiligt gewesen sei. Schließlich werde dort gegen Weil, nicht aber gegen Brück verhandelt.

Auch die grüne Landtagsfraktion meldete sich zu Wort. Sie werde die Oppositionsparteien in Frankfurt unterstützen, wenn Brück die öffentliche Auseinandersetzung weiter verweigere. „Wir werden den Hessischen Innenminister im Rahmen seiner Kommunalaufsicht zu einer Stellungnahme im Landtag zwingen.“ Außerdem solle ein Untersuchungsausschuß eingerichtet werden. Jo Meergans, Geschäftsführer der Römer -SPD, schlug am Donnerstag laute Töne an. Daß Brück sich zum Zeugen anbiete, sei „ein richtiger Hammer“. Dort diene er sich an, ohne bisher überhaupt geladen zu sein, nur um dem Parlament nicht Rede und Antwort stehen zu müssen. Für den 3. November haben SPD und Grüne eine Sondersitzung beantragt.

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