: DDR-EDV-Spekulation
■ Weil „Robotron“ den EDV-Bedarf der DDR nicht decken kann, werden westliche Computer importiert und teuer weiterverkauft / Der Staat sahnt dabei kräftig ab
Seitdem in der Wirtschaft der DDR durch obersten Beschluß die Einführung der Computertechnik zur Hebung der Produktivität und zur Angleichung an das vielzitierte „Weltniveau“ empfohlen wurde, setzte eine Flut von Bestellungen der Betriebe an den Alleinhersteller von Computertechnik „Robotron“ ein. Das Kombinat sah sich jedoch aufgrund seiner zahlreichen Exportverpflichtungen nicht zur Deckung des Inlandsbedarfs in der Lage. Die Betriebe wurden auf den Import von NSW-Technik, zumindest bis 1990, vertröstet. Da die Valutamittel knapp sind, nutzen die Interessenten die vom Staat geschaffene Möglichkeit des Ankaufs von Westcomputertechnik von Privatpersonen über die dafür spezialisierten An- und Verkaufsläden.
In Berlin wurden drei dieser Läden sowie in jedem Bezirk und in fast jedem Kreis der DDR mindestens ein An- und Verkauf für den Handel mit Computertechnik autorisiert. Die Ankaufpreise wurden Preisen der Robotronrechner KC85 bis PC1715 angeglichen. Lagen die technischen Kapazitäten über diesem recht primitiven Standard, wurde hochgerechnet. Da der Computermarkt im Westen sehr schnell variiert, ergaben sich ernorme Preisunterschiede, welche die Besitzer von Westgeld das Geschäft wittern ließ: ein Amigo 1000, Comodores ältester semiprofessioneller 16-Bit-Rechner, in West-Berlin für 2.800 Mark gekauft, brachte 6.500 Mark minus 15 Prozent („Provision“ des An- und Verkaufsladens).
Die Zollverwaltung besteht auf einem Anteil von 20 bis 40 Prozent vom Kuchen des Computergeschäfts in Form von Einfuhrzoll und wacht mit Argusaugen über die legale Einfuhr (als Geschenksendungen zollfrei erhaltene Industriewaren dürfen nicht weiterverkauft werden; Geräte, deren Herkunft nicht belegt werden kann, werden konfisziert).
Um Spekulationen mit der in der DDR dringend gewünschten Computertechnik entgegenzuwirken, wurde im November '87 ein allgemeingültiges Preisbewertungssystem für deren An- und Verkauf eingeführt, die Mitarbeiter des Spezialhandels zentral geschult, die Ankaufstellen mit Mitarbeitern der Staatssicherheit durchsetzt sowie eine spezielle Abteilung der StaSi geschaffen. Deren Mitarbeiter haben den Kampf gegen in die DDR eingeschleuste Computer- und Videotechnik aufgenommen - im Gegensatz zu ihren Genossen, welche mit der Beschaffung westlicher High Technology vorbei an COCOM -Bestimmungen beschäftigt sind. Wozu denn etwa teuer kaufen, wenn man es im eigenen Land beschlagnahmen kann. (...)
Genanntes Preisbewertungssystem garantiert eine kapazitätsorientierte Bewertung der westlichen Computertechnik. Ein Preisvergleich mit dem sehr eingeschränkten Computerangebot des Intershop zeigt eine Relation von 1:8 bis 1:10 (DM:Mark der DDR), wobei der staatliche Handel ohne jegliche Eigeninvestition 15 Prozent verdient und durch das Volumen des verbotenen, jedoch „geduldeten“ Computerhandels alle Pläne übererfüllt. (...)
Der Beitrag erschien in den Ost-Berliner 'Umweltblättern‘. Er wurde gekürzt, d. Red.
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