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Opfer als Täter

Schwulenhatz: Staatsanwalt dreht Spieß um  ■ K O M M E N T A R

Die Geschichte der Schwulenhatz vom 2.August '88 strotzt nur so vor Verleumdungen, Lügen und Unverschämtheiten. Damals vertrieben Berliner Polizisten gemeinsam mit ihren amerikanischen Kollegen von der Military Police 22 Schwule, weil sie sich „unpassend“ verhalten hatten: sie hatten sich geküßt und umarmt. Glücklicherweise fiel dem Polizeipressesprecher „am Tag danach“ noch etwas anderes „Unpassendes“ ein: Die Schwulen seien nicht nur schwul, sondern zudem auch noch besoffen gewesen. Das klingt gut: „22 betrunkene Homosexuelle bei nichtangemeldeter Knutschdemo erwischt!“ Anstatt endlich Ruhe zu geben, gingen die Betroffenen nun wirklich demonstrieren und informierten einen US-Abgeordneten, der seinen Verteidigungsminister zum Vorfall befragte. Das Department of Defense erklärte daraufhin, man habe die Schwulen gar nicht als Schwule diskriminiert, sondern ganz allgemein rausgeworfen.

Daraufhin gingen die Schwulen vor ein deutsches Gericht und klagten gegen den Einsatzleiter der Berliner Polizeitruppe. Nachdem das Bild von den 22 besoffenen Schwulen auf der nichtangemeldeten Knutschdemo noch nicht ausgereicht hatte, endlich Ruhe in die Angelegenheit zu bringen, fügte der Berliner Staatsanwalt gestern noch ein weiteres Horror -Detail hinzu. Die Schlagzeile sähe jetzt so aus: „22 besoffene Schwule auf nichtangemeldeter Knutschdemo beim Sieg-Heil Rufen erwischt!“ Um einen Einsatzleiter der Polizei reinzuwaschen, ist sich die Staatsanwaltschaft zu nichts zu schade. Selbst nicht zu der absurden Behauptung, daß 22 Schwule ausgerechnet in der ehemaligen Zentrale des NS-Terrors die Mörder von einst hochleben lassen (Bericht dazu auf Seite 4).

C.C.Malzahn

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