„Man kann Apartheid nicht reformieren“

■ Die taz sprach mit dem Mitglied einer verbotenen Schülergruppe aus Soweto über ihre Wahlboykottkampagne

Ein Bombenanschlag in Witbank, 100 Kilometer östlich von Johannesburg, hat gestern drei Menschen getötet und mehr als 20 verletzt. Mehr als 40 Bomben sind seit Anfang September in Südafrika explodiert - allesamt aus Protest gegen die am Mittwoch stattfindenden Kommunalwahlen in Wohngebieten für Weiße, Schwarze, Mischlinge und Inder. Nach den landesweiten Aufständen 1985/86, bei denen Lokalverwaltungen in den Townships fast vollkommen zerstört wurden, hat die Regierung mit der Verhängung des Ausnahmezustandes und scharfen Repressionen für Ruhe gesorgt. Im Vorfeld der Wahlen wurden zusätzlich Boykottaufrufe verboten. Mit einem riesigen Polizeiaufwand soll die angebliche „Einschüchterung“ von Wählern verhindert werden. Die Abstimmung ist ein wichtiger Test der Glaubwürdigkeit des Reformprogramms der Regierung. Sie ist auch ein Test für die Opposition, die zum Wahlboykott und Generalstreik am Mittwoch aufgerufen hat.

taz: Was halten Schüler von den Verwaltungen in den Townships, die gewählt werden sollen?

Schüler: Die Struktur der Verwaltungen wird von Pretoria manipuliert. Mit den Bedürfnissen der Bevölkerung haben die kaum etwas zu tun. Genau deshalb sind in den letzten zwei Jahren so viele Menschen bereit gewesen, im Kampf gegen diese Verwaltungen zu sterben. Dennoch will die Regierung dafür sorgen, daß es in allen Gebieten Bürgermeister gibt. Aber der Versuch wird scheitern.

Warum kämpft ihr Schüler gegen die Verwaltungen?

Als Schüler müssen wir täglich ein giftiges Schulsystem über uns ergehen lassen, das uns darauf vorbereitet, in der Zukunft wie Sklaven behandelt zu werden. Die Apartheid, die dieses Schulsystem hervorgebracht hat, soll durch die Kommunalwahlen verstärkt werden. Wer sich also an diesen Wahlen beteiligt, unterwirft sich dem Apartheid-Regime. Deshalb müssen wir Schüler mit allen Mitteln gegen diese Wahlen kämpfen.

Die Repressionen der letzten zwei Jahre haben doch dazu geführt, daß kaum noch Schülerorganisationen bestehen.

Ja. Organisationen, die nicht effektiv genug aufgebaut waren, existieren nicht mehr, weil die Repressionen so intensiv sind. Die Regierung versucht eine Situation zu schaffen, in der es keine „comrades“, keine oppositionellen Jugendgruppen, mehr gibt. Aber das ist unmöglich. Auch wenn die Repressionen vor den Wahlen noch verschärft wurden - die „comrades“ sind nur in den Untergrund gegangen.

Wie können Schüler in einer solchen Situation noch Widerstand leisten?

Ganz offen können wir über unsere Methoden nicht sein. Wer Widerstand leistet, wird sofort verhaftet. Dennoch - wir haben vor den Wahlen Straßenkomitees in unseren Wohngebieten organisiert, in denen die Leute aufgefordert werden, nicht zu wählen. In der Schule unterhalten wir uns auch mit unseren Mitschülern. Alle Schüler sollten ihren Eltern sagen, daß sie nicht wählen sollen. Auch in Schulbussen und auf der Straße diskutieren wir über die Wahlen. Und die Mauern in den Schulen und den Townships sind voller Graffiti, die zum Boykott aufrufen. Graffiti sind unser Propagandamedium.

Die Regierung sagt, daß diese Wahlen ein wichtiger Schritt im Reformprogramm sind. Was hältst du davon?

Reformen sind Unsinn. Man kann Apartheid nicht reformieren. Wer von Reformen der Apartheid spricht, der meint die Fortsetzung der Apartheid in einer modifizierten Form. Der größte Teil des Reichtums in Südafrika kommt immer noch einer kleinen Gruppe von Privilegierten zugute. Reform bedeutet, daß ein kleiner Teil dieses Reichtums an Leute umverteilt wird, denen dann vorgemacht wird, daß sich damit etwas verändert hat. Aber was wir fordern, ist eine vollkommene Umwandlung der Gesellschaft.

Interview: Hans Brandt