: Wie strickt man ein Fanzine?
■ Wolfgang Klebe und Lothar Gärtner, die Herausgeber eines Bremer „Fanzines“ sind dankbare Interviewpartner und werden nicht nur deshalb als 19. und 20. Mitglied in den CultureClub aufgenommen
Es gibt undankbare und dankbare Interviewpartner. Wolfgang Klebe (36) und Lothar Gärtner (32) gehören eindeutig zur letzten Gruppe. Sie sind die Macher von STRANGE WAYS, einem Bremer „Fanzine“. Diese Bezeichnung setzt sich ganz einfach aus den beiden Wörtern „Fan“ und „Magazine“ zusammen, ein Periodikum für unabhängige Musikkultur.
taz:Ihr schreibt vorwiegend über junge Musik für junge Leute. Seid ihr beide nicht schon etwas alt? Wolfgang:Das ist die Zeit. Schau Dich selbst an, auch taz-Schreiber werden nicht jünger.
Wie kommt jemand auf die Idee, ein Fanzine herauszubringen?
Wolfgang:Ich habe von 1977 bis 1979 schon mal Der Schunt, ein
reines Punkfanzine gemacht. In Deutschland war Punk ja nie so eine ausschließliche Arbeitslosensache von Jugendlichen. So konnte ich als frustrierter Hippie mit Haaren bis zum Arsch durchaus mitmachen. Später haben Lothar und ich bei der Stader Rundschau Artikel geschrieben, das war eine alternative Kulturzeitung, so eine Kleinstadt-taz. Das AKW, Dow Chemical waren Themen, die auf der Hand lagen, aber auch Buchbesprechungen und natürlich Musik.
Lothar: Als die Rundschau dicht machen mußte, standen wir da, ich war sowieso arbeitslos und hatte Zeit, da war schnell die Idee geboren, ein Fanzine zu machen. Endlich genügend Platz für aus
führliche Besprechungen von Bands. Ein paar Bekannte und Freunde, z.B. eine Deutschlehrerin und ein Lektor aus Düsseldorf fanden die Idee geil und so schenkten uns etwa zehn Leute je fünfzig Mark und fertig war die erste Ausgabe.
So einfach war's doch sicherlich nicht. Wie wählt ihr Eure Themen aus?
Wolfgang: Wir hören Musik, seit wir denken können, da hat sich erst einmal ein breites Grundwissen angesammelt. Und natürlich gehen wir ganz besonders auf die Bremer Independant-Szene ein, sonst hätte so ein Bremer Fanzine gar keine Berechtigung. Wir kennen viele Gruppen recht gut, und so ist es auch kein Wunder, daß manchmal sogar Nachfragen aus Bayern kommen, was die Bremer Musikszene angeht. Die lokalen Gruppen sollen mal ruhig wissen, daß wir durchaus mal 'ne Platte von denen hier kaufen und die durch die Republik schicken.
Lothar:Aber wir bringen natürlich auch internationale Sachen, aus Australien, Neuseeland und Amerika und dann kommt Wolfgang mit noch mehr Bremer Material und Strange Ways wird immer dicker. Unsere guten Kontakte zu Indie -Firmen sind sehr wichtig und ganz besonders die
Leserreaktionen. Die bauen uns auf.
Wie definiert ihr Eure journalistische Arbeit? Immerhin ist so ein Fanzine ja eine ziemlich selbstgestrickte Sache.
Wolfgang:Wir schreiben fast nur über Musik, die wir mögen. Falls wir etwas total daneben finden, begründen wir das nicht besonders. Natürlich recherchieren wir auch, aber Interviewtermine mit Stars in Hotelzimmern, das machen wir nicht. Wir schreiben sowieso in der Hauptsache über Indie -Bands, da geht alles viel lockerer zu, als wenn Du bei einem Termin der achte auf der Liste der Medienvertreter bist.
Das Wörtchen „Fan“ in Fanzine klingt so distanzlos. Kommt Ihr Euch nicht manchmal vor wie Berufsjubler?
Lothar:Kein bißchen. Wir gehen halt nicht in Konzerte, von denen wir im voraus ahnen können, daß sie uns nicht gefallen werden. Es kommt ja auch mal vor, daß eine von uns geliebte Gruppe eine schlechte Platte macht. Die rezensieren wir dann auch negativ. Aber eigentlich wollen wir uns beim Schreiben gut fühlen.
Wolfgang: An die Leser denken wir dabei nie, höchstens mal kurz hinterher. Uns soll es gefallen, dafür machen wir das.
Wovon ernährt Ihr Euch dann? Lothar:Wir arbeiten beide bei Saturn Hansa in der Plattenabteilung. Mit Strange Ways machen wir nicht einen Pfennig. Sollte einmal eine Mark übrig bleiben, wandert sie sofort in die nächste Ausgabe.
Wie wird die weitere Arbeit aussehen?
Wolfgang: Unser wichtigstes Ziel ist derzeit, die Auflage von 500 Exemplaren zu halten. Dann lesen uns ungefähr tausend Leute. Außerdem stellen wir gerade eine Kassette mit Bremer Bands zusammen, die ist gerade in Arbeit. Der Bremen -Sampler ist schon wieder so lange her, im Augenblick gibt es wohl nur uns, die noch so etwas vorhaben. Die Kassette erscheint im Dezember.
Auf der anderen Seite gibt es doch bestimmt Themenbereiche, die Ihr nie anfassen würdet.
Wolfgang: Oi-Mucke. Das ist punkenlehnte Musik von Rechtsradikalen. Damit wollen wir nichts zu tun haben. Anti -AKW-Artikel kommen bei uns auch nicht rein, die stehen in genug anderen Zeitschriften. Und Szenetraaatsch interessiert uns auch nicht.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Jürgen Francke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen