: Leichtes Heizöl für die Fische
■ Kraftwerks-Pumpen förderten acht Kubikmeter Heizöl in die Weser / Auffangwanne undicht / Öl sickerte durch Bitumen-Boden in den Gulli / Keine Ölsperre zwischen dem Kraftwerkskeller und der Weser
Ein riesiger Ölteppich trieb am Montagabend gegen 18 Uhr von Bremen weserabwärts. Acht Kubikmeter leichten Heizöls hatten die Pumpen des Kraftwerks Mittelsbüren der Bremer Stadtwerke (auf dem Klöckner-Werksgelände) aus der Regenwasserkanalisation automatisch in den Fluß befördert. Das Öl konnte auf der Weser nach Meinung des Wasserwirtschaftsamtes nicht chemisch gebunden und auch nicht mehr mit einem Spezialschiff aufgefanfgen werden. Dazu habe es sich in der starken Strömung zu schnell verteilt und sei zudem auch verdunstet.
Verdunstet war gestern Mittag zumindestens der Teil des Öls noch nicht, der sich in dem kleinen Stichkanal gefangen hatte, in den die Klöckner-Werke und das Kraftwerk gemeinsam ihr Abwasser leiten. „Öl verdunstet nicht“, widersprach der Bremer Biologe und Umweltschützer Peter Ullrich der behördlichen Einschätzung. Ullrich: „Das Öl verbreitet sich immer weiter im Wasser und baut sich sehr langsam ab. Der feine Film legt sich in die Kiemen der Fische, auf die Schleimhäute der Muscheln und in die Federn der Vögel. Er schädigt Plankton und Fischlaich“.
Und so war es zu dem Ölunfall gekommen: Einer der beiden Heizöltanks der Stadtwerke sollte inspiziert werden. Die Spätschicht hatte deswegen den Auf
trag, den Restinhalt von Tank I in Tank II hinüberzupumpen. Dabei lief Tank II über, die Arbeiter, merkten es nicht. Aus dem Überlauf am oberen Rand des kreisrunden Öltanks pulschte das Öl in die Auffangwanne, die den Tank umschließt. Zwar ist außen an den Tanks eine große Füllstandsanzeige angebracht. Aber in dem Steuerstand, von wo aus die Pumpen in Betrieb gesetzt werden, ist nur eine kleine Meßeinrichtung
zu sehen. Blinklichter oder Hupen, die die Maschinisten warnen, wenn der Tank voll ist, gibt es nicht.
Einzige Sicherheit also: Die Auffangwanne. Nur die Wände der kreisrunden Wanne bestehen aus Stahlblech, der Boden aus Bitumen. An der Nahtstelle zwischen Bitumen und Blech quoll das Öl am Montagabend nach außen. Es sickerte in den Rasen, und strömte über den gepflasterten
Hof in die Gullis der Regenwasserkanalisation. Das unterirdische Sammelbecken lief so weit voll, bis Hochleistungspumpen automatisch ansprangen und das Heizöl binnen kurzer Zeit in die Weser förderten. Ölsperren, die es in vielen Betrieben schon gibt, und die die Flüsse vor ausgetretenen Ölmengen schützen, sind im Regenwasserkanal des Kraftwerks nicht installiert.
Die undichte Auffangwanne
stammt aus dem Jahr 1975. Sie sei damals ordnungsgemäß vom TÜV abgenommen worden und habe damals dem Stand der Technik entsprochen, sagte ein Sprecher der Stadtwerke gestern. Zur Kontrolle sei sie regelmäßig „begangen“ worden. Von weiteren Sicherheitsprüfungen wußte der Sprecher nichts.
Gestern hat die Altölfirma Märtens das restliche Öl aus dem Regenwasserbecken abgepumpt und die Kanalisation mit Dampfstrahlgeräten gereinigt. Auch das verseuchte Erdreich wurde abgetragen, es wird in die Müllverbrennungsanlage verbrannt.
Die Angler am dem Stichkanal der Weser, dort wo die Abwässer in den Fluß strömen, kümmert's wenig. „Das ist ja jetzt schon alles weg“, sagt Gerhard Pörschke, der gestern einen Zander nach dem anderen aus dem trüben Wasser holte. Die Fänge seien reichlich, die Fische schmeckten gut, und aus den Abwasserrohren von Klöckner und den Stadtwerken käme „nur ganz selten“ Öl an seinem Stammplatz vorbeigeschwommen.
Bei den Stadtwerken ermittelt seit gestern auch die Kriminalpolizei wegen des Verdachts der „Gewässerverunreinigung“. Gegen wen, das wußte die Polizeipressestelle noch nicht zu sagen. Erst müsse untersucht werden, wie es zu dem Unfall habe kommen können. mw
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