Apartheid-Chef bittet um Kredite für Reformen

Bothas „Reform der Apartheid“, deren Kern die heute stattfindenden Kommunalwahlen sind, fehlt die wirtschaftliche Schubkraft Internationale Sanktionen haben die wirtschaftlichen Schwierigkeiten Südafrikas verschärft  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

„Mit der notwendigen Kapitalinfusion könnte in Südafrika ein Resultat erreicht werden, das mit dem Marshall-Plan für Europa vergleichbar ist“, sagte Apartheid-Präsident Pieter W. Botha vor kurzem in der Schweiz. Er appellierte an Schweizer Bankiers, sich für die Abschaffung von Sanktionen und die Bereitstellung neuer Kredite an Südafrika einzusetzen. Dies könnte, so Botha, zu beschleunigten politischen Entwicklungen führen.

Bothas Appell ist ein Zeichen für die wirtschaftliche Misere, die Sanktionen, der Mangel an Auslandskrediten und eine verfehlte Wirtschaftspolitik in Südafrika verursacht haben. Das trifft vor allem auch Bothas Reformpolitik. Innerhalb weniger Jahre will die Regierung die seit Jahrzehnten bewußt vernachlässigten schwarzen Wohngebiete verbessern. So sollen Unzufriedenheit in der schwarzen Bevölkerung reduziert und politische Forderungen umgangen werden. Doch dazu fehlt es an finanziellen Mitteln.

Verschiedene Faktoren haben die südafrikanische Wirtschaft in den letzten Monaten schwer getroffen. Seit Anfang des Jahres ist der Wert der südafrikanischen Währung, des Rand, mit durchschnittlich 13 Prozent im Vergleich mit führenden internationalen Währungen gesunken. Dennoch ging der Hunger nach Importen in Südafrika nicht zurück. Die Regierung sah sich im August genötigt, zusätzliche Importzölle von bis zu 60 Prozent für bestimmte Güter zu verhängen, um Importe zu drosseln.

Ein Grund für die Flut der Importe ist die Kaufwut südafrikanischer Konsumenten. Bei einer Inflationsrate von mehr als 16 Prozent und Zinssätzen um die 13 Prozent lohnt es sich nicht, zu sparen. Kredite sind andererseits billig. Also wird wie wild auf Pump eingekauft. Eine weitere Konsequenz ist, daß Südafrika neben dem Mangel an Auslandskrediten und Investitionen ausländischer Anleger auch intern nicht genug Kapital ansammelt, um notwendige Investitionen finanzieren zu können. Die Regierung versucht nachzuhelfen, indem sie die Geldmenge ständig erhöht - aber ohne gleichzeitiges Wachstum in der Wirtschaft drückt das die Inflation direkt in die Höhe.

Die Wirtschaft wächst zwar noch, aber nur um knapp unter zwei Prozent im Jahr. Die Zuwachsrate der Bevölkerung beträgt dagegen über drei Prozent jährlich. Es besteht also von daher keine Aussicht, daß die Arbeitslosigkeit, die unter Schwarzen schon bei über 40 Prozent liegt, beseitigt werden kann. Das wird die Unzufriedenheit in der schwarzen Bevölkerung und den politischen Druck noch verschärfen.

Gleichzeitig ist der Goldpreis in weniger als einem Monat um zehn Prozent gesunken. Das Edelmetall kostet zur Zeit kaum mehr als 400 Dollar pro Feinunze. In der Exportstruktur ist Südafrika ein Dritte-Welt-Land, abhängig von Rohstoffexporten. Goldexporte machen noch immer mehr als 50 Prozent südafrikanischer Exporterlöse aus. Der Preisverfall trifft Südafrikas Zahlungsbilanz besonders schwer. Der Überschuß in der Zahlungsbilanz belief sich bis Ende September auf 2,1 Milliarden Dollar - weit unter dem für Südafrika üblichen Niveau. Auch langfristig ist keine Erleichterung in Sicht. Das Volumen der Goldexporte geht zurück. Auch Gold- und Devisenreserven nehmen langfristig ab. Sie standen Ende August bei 2,17 Milliarden Dollar.

Vor diesem Hintergrund wird die Rückzahlung der Auslandsschulden, die sich auf insgesamt 22 Milliarden Dollar belaufen, immer schwieriger. Regelmäßig müssen Umschuldungen mit den internationalen Gläubigerbanken ausgehandelt werden. Die nächsten Verhandlungen sind für Juni 1990 vorgesehen. Doch nicht alle Schulden werden von diesem Abkommen erfaßt. Bislang ausgespart sind die etwa 1,6 Milliarden Dollar und die etwa 2,1 Milliarden Dollar, die Südafrika nach offiziellen Angaben 1990 beziehungsweise 1991 zurückzahlen muß. Solche Beträge wird die Wirtschaft nicht aufbringen können. Doch eine Verlängerung der Fristen kann nur erreicht werden, wenn sich das politische Klima in Südafrika entscheidend verbessert.

Deshalb sind die Reformen für die südafrikanische Regierung so wichtig. Aber die Reformen sind teuer. Bis Ende dieses Jahres sollen fast zwei Milliarden Dollar für die Verbesserung von Straßen, Schulen, Häusern und Stromleitungen ausgegeben werden. Für die nächsten fünf Jahre sind Ausgaben in Höhe von acht Milliarden Dollar vorgesehen. Die Privatisierung staatlicher Konzerne soll durch die Verkaufspläne zur Finanzierung des Reformprogramms beitragen. Auch ein Rückzug aus Angola und Namibia würde die Staatskasse erheblich entlasten. Zusätzliche Kredite werden dennoch dringend benötigt.

Beobachter in Südafrika glauben, daß Botha Schweizer Bankiers in privaten Gesprächen um Kredite für Verbeserungsprojekte in schwarzen Wohngebieten gebeten hat, mit der Überlegung, daß die Gewährung von Krediten, die der schwarzen Bevölkerung zu Gute kommen, politisch leichter zu vertreten wäre.

Auch Kredite für gemeinsame Projekte zwischen Südafrika und schwarzafrikanischen Nachbarländern soll Botha vorgeschlagen haben. Die Bundesrepublik hat in diesem Zusammenhang schon zugesagt: für die Verbesserung der Bahnlinie Südafrika -Mosambik und für die Rehabilitierung des Cahora Bassa Wasserkraftwerkes werden D-Mark zur Verfügung gestellt. Es wird zudem spekuliert, daß die Freilassung des seit 26 Jahren inhaftierten ANC-Führers Nelson Mandela, die noch vor Ende des Jahres erwartet wird, den Bankiers etwaige Zusagen erleichtern könnte.

„Dies sind ermutigende Schritte, die erneut Zugang zu den Kapitalmärkten der Welt nach sich ziehen könnten“, kommentierte die regierungsfreundliche Tageszeitung 'The Citizen‘ Bothas Gespräche in der Schweiz. „Das könnte einen starken Schub für soziale und wirtschaftliche Reformen verursachen, und die Lebensbedingungen der Habenichte in unserer Gesellschaft verbessern.“

Mit Krediten für Verbesserungsprojekte würden internationale Banken allerdings die Reformpolitik der südafrikanischen Regierung direkt finanzieren. Apartheid -Gegner in Südafrika meinen, daß diese Reformen lediglich auf eine Anpassung der Apartheid hinausliefen, da sie nach wie vor an der Einteilung der Bevölkerung in verschiedene „Gruppen“ festhielte. Nur eine nichtrassistische, demokratische Gesellschaft nach dem Motto „Ein Mensch eine Stimme“ kann der Opposition zufolge langfristig Stabilität in Südafrika garantieren.