piwik no script img

Abschiebung auf Leben und Tod

■ Der Delmenhorster Stadtdirektor Bramlage erstattete Anzeige gegen die „Delmenhorster Rundschau“ / Er will nicht als „Herr über Leben und Tod“ verunglimpft werden / Stadt will Heroindealer in die Türkei abschieben

Als Stadtdirektor ist Bernhard Bramlage zwar fast Herr über Delmenhorst. Aber „Herr über Leben und Tod“, wie er auf dem Titelblatt der „Delmenhorster Rundschau“ genannt wurde, das möchte er nun doch nicht sein. Die Macher der alternativen, monatlich erscheinenden „Rund

schau“ forderte Bramlage über seine Rechtsanwälte auf, die „ehrverletzenden“ Bezeichnungen in ihrem Monatsblatt zu widerrufen. In der vergangenen Woche setzte er nach: Er erstattete Anzeige wegen Beleidigung und Verunglimpfung.

Ramazan D. heißt der Mann,

über dessen Leben oder Sterben Stadtdirektor Bramlage befinden will, jedenfalls aus der Sicht der „Delmenhorster Rundschau“. Der 56jährige Gastarbeiter saß viereinhalb Jahre lang wegen Heroinschmuggels im Gefängnis und soll nun in die Türkei ausgeliefert werden.

Bereits 1963 war er als Bergarbeiter nach Wanne-Eikel gekommen. Nach wenigen Monaten kehrte er in die Türkei zurück, nahm aber 1968 einen zweiten Anlauf in der Bundesrepublik. Er arbeitete bei der Delmenhorster Kammgarnspinnerei, bei Klöckner und der AG Weser. Nach de

ren Pleite war er arbeitslos. Einige Zeit später ging er der Bremer Kripo, die um Fahndungserfolge verlegen war, in die Falle. Diesen Eindruck kann man jedenfalls gewinnen, wenn man die Begründung für das Urteil liest, das Ramazan D. vor fünf Jahren ins Gefängnis brachte: Gerda B., eine Informantin der Bremer Kripo, sprach Ramazan D. und zwei andere Türken in einem Lokal an und forderte sie auf, ihr aus der Türkei Heroin zu besorgen. Die drei älteren Männer gingen darauf ein, allerdings mit wenig Erfolg. Ihre ersten Lieferungen bestand aus Mehl und Kaffee, zu einer Masse zusammengeknetet, die nur von Laien mit Heroin verwechselt werden kann. Erst von ihrer dritten Reise kehrten die Anfänger mit mehr als 450 Gramm Heroin zurück. Doch kaum hatten sie den echten Stoff an Gerda B. übergeben, traten Kripobeamte aus dem Nebenzimmer und nahmen die Amateurdealer fest. Weil Heroinhandel auch dann ein schweres Verbrechen ist, wenn er von der Polizei angestiftet wird, mußte Ramazan D. für viereinhalb Jahre nach Oslebshausen.

Die Stadt Delmenhorst will ihn nun ausweisen, wozu sie nach dem Ausländergesetz berechtigt ist. Sie scheiterte jedoch im Mai diesen Jahres am Oldenburger Verwaltungsgericht, an das sich Ramazan D. um Hilfe gewandt

hatte. Weil dieser seine Straftaten zum Teil in der Türkei begangen habe, drohe ihm dort erneute Strafverfolgung, meinte das Gericht, und das unter menschenunwürdigen Bedingungen: Folter und sogar die Todesstrafe könnten ihn in der Türkei erwarten. Menschenwürde sei jedoch ein höheres Gut als ausländerrechtliche Bestimmungen.

Das fand die Delmenhorster Stadtverwaltung nicht und legte Beschwerde gegen das Oldenburger Urteil ein. Vor dem Lüneburger Oberverwaltungsgericht will sie durchsetzen, daß der Türke doch noch in sein Heimatland abgeschoben wird.

Wer von den Delmenhorster Spitzenbürokraten Verantwortung für diesen Schritt trägt, Bernhard Bramlage „weiß es nicht“, wie er gestern der taz sagte. Allerdings sei er „teilweise“ an Gesprächen in der Verwaltungsspitze“ beteiligt gewesen. Gründe für die Berufung wollte er keine angeben.

Aber die Strafanzeige gegen die „Delmenhorster Rundschau“ werde er „durchfechten bis zum TZ“, meinte er grimmig. Seine Rechtsanwälte haben inzwischen beim Landgericht Oldenburg eine Einstweilige Verfügung erwirkt. Danach darf die „Delmenhorster Rundschau“ ihre „ehrverletzenden“ Behauptungen über Bernhard Bramlage nicht wiederholen.

Michael Weisfeld

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen