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Wir spekulieren nicht auf Überläufer

■ Gerhard Schröder, SPD-Oppositionsführer im Landtag, über mögliche Neuwahlen in Niedersachsen

I N T E R V I E W

taz: Auch nach dem Rücktritt von Hasselmann will die SPD weiterhin umgehend Neuwahlen in Niedersachsen durchsetzen und will die Selbstauflösung des Landtages beantragen. Ist das mehr als ein taktischer Schachzug?

Schröder: Neuwahlen sind unser ernsthafter Wunsch. Mit dem Rücktritt von Hasselmann sind die Skandale der Regierung nicht bereinigt, die Führungschwäche bleibt. Durch Neuwahlen sollen nun die Bürger über die künftige Zusammensetzung der Landesregierung entscheiden.

CDU und FDP wollen einer Auflösung des Landtages nicht zustimmen, und die SPD hat für diesen Fall ein konstruktives Mißtrauensvotum angekündigt. Woher sollen die Überläuferstimmen bei einem solchen Mißtrauensvotum kommen? Die FDP liegt bei den Meinungsumfragen in Niedersachsen inzwischen unter 4%, ihre Abgeordneten würden durch Neuwahlen ihre politischen Karrieren selbst beenden.

Wir spekulieren nicht auf Überläufer. Die Einstimmen -Mehrheit der jetzigen Koalition stützt sich auf einen Abgeordneten Kurt Vajen, der rechtskräftig wegen Wahlfälschung verurteilt ist. Wir hoffen auf Abgeordnete, die sich angesichts dieser Situation wieder an demokratische Tugenden erinnern. Natürlich ist ein Konstruktives Mißtrauensvotum immer mit einem gewissen Risiko verbunden.

Auch auf Stimmen von CDU-Hinterbänklern kann die SPD nicht rechnen, auch die müßten den Ergebnissen den Meinungsumfragen nach bei Neuwahlen um ihren Wiedereinzug in den Landtag fürchten.

Noch einmal: Diese Taktiererei ist nicht unsere Politik. Wir wollen den Bürgern klarmachen, wer für ihr Recht steht, durch Wahlen über die Regierung des Landes Niedersachsen zu bestimmen.

Also ist das angekündigte Konstruktive Mißtrauensvotum doch als demonstrativer Akt zu verstehen?

Nein, es ist der ernstgemeinte Versuch, einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen, der dann seinerseits dafür sorgen soll, daß der Bürger zum frühestmöglichen Zeitpunkt von seinem Wahlrecht Gebrauch machen kann.

Nach dem Willen von Ernst Albrecht soll Wilfried Hasselmann CDU-Landesvorsitzender bleiben, obwohl er seine Verfehlungen - CDU-Spielbank-Beteiligung, Spenden von Felsenstein - nicht als Minister, sondern als Parteivorsitzender begangen hat.

Ich halte dies für ein unmögliches Verfahren, das zeigt, daß der CDU die Kraft zur Selbstreinigung fehlt, und auch die FDP ist offenbar nicht in der Lage, bei ihrem Koalitionspartner die Selbstreinigung durchzusetzen.

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