: Patrouillen gegen nächtliche Gefahr
■ Nach mehreren Vergewaltigungen in Kreuzberg gehen Frauen offensiv in die Öffentlichkeit / Bewohnerinnen der Regenbogenfabrik organisieren nächtliche Patrouillen / Streifengänge auch in anderen Bezirken geplant / Kontroversen um Zusammenarbeit mit der Kripo
Kreuzberger Frauen sorgen jetzt selbst für ihre Sicherheit: Sie organisieren nächtliche Patrouillen. Vor sechs Wochen wurde eine Frau in SO36 nachts auf dem Nachhauseweg in der Lausitzer Straße vergewaltigt. Der Täter war maskiert und mit einer Pistole bewaffnet. Zwei Wochen später griff derselbe Mann wieder eine Frau an.
Vergewaltigung gehört zum „normalen“ Geschlechtsrisiko von Frauen, aber die Reaktion darauf ist eher Angst und Mißtrauen als Gegenwehr. Die BewohnerInnen der Regenbogenfabrik in der Lausitzer Straße haben deshalb eine Aktionswelle gegen Vergewaltigungen in Gang gesetzt, die nicht nur in Kreuzberg Anwendung finden soll.
Um Frauen nachts Schutz zu bieten und möglicherweise den Täter zu identifizieren, hatten sie die Idee, nachts Streife zu laufen. „Für uns war das ein Gefühl, was machen zu können“, beschreibt eine Bewohnerin der Regenbogenfabrik die Motive für die Aktion, die jetzt schon drei Wochen läuft. Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer: „Immer mehr Frauen wollten mitmachen.“ Vor einer Woche trafen sich über 200 Frauen im Mehringhof, um gemeinsam Strategien zu besprechen. Beschlossen wurde, weiterhin Streifengänge zu organisieren und diese auch auf andere Bezirke auszudehnen. Vorrangig gelte es jedoch, im Bereich der Gneisenaustraße 6a, wo drei Frauen innerhalb eines Jahres von demselben Täter vergewaltigt wurden, eine Streife einzurichten. Des weiteren sollen Plätze, an denen Vergewaltigungen verübt wurden, gekennzeichnet sowie eine gemeinsame Nachtaktion veranstaltet werden. Während das Angebot der Kripo, mit den Aktivistinnen zusammenzuarbeiten, heftige Kontroversen auslöste, herrschte Einigkeit darin, daß die Straße nicht den Männern überlassen werden dürfe. Es gelte, offensiv in die Öffentlichkeit zu gehen und Sensibilität für die Un -Sicherheiten von Frauen zu schaffen sowie für schon früher erhobene politische Forderungen wie zum Beispiel Nachttaxis und Selbstverteidigungskurse für Frauen. Unklarkeit herrschte hingegen noch darüber, wie der Dauerskandal „Gewalt gegen Frauen“ langfristig angegangen werden kann.
Die Notruf-Frauen, die aus ihrer täglichen Erfahrung wissen, daß Vergewaltigung weder ein Einzelfall- noch ein Kiezproblem ist, regten die Wiederbelebung des vor Jahren eingeschlafenen Gewaltplenums an.
bcs
Heute um 19 Uhr findet im Mehringhof ein Koordinationstreffen für alle interessierten Frauen statt.
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