: Bodenlos-betr.: "Kultur für alle überall", taz vom 24.10.88
betr.: „Kultur für alle überall“, taz vom 24.10.88
Da braucht die taz nur neun Tage, um aktuell über eine Veranstaltung zu berichten, die den Schlußpunkt setzte für ein dreijähriges Kulturprogramm, das zuvor von der taz noch nie erwähnt wurde. Das ist schon beachtlich. Nachdem also alle regionalen und überregionalen Zeitungen sich dem Tagesgeschäft wieder widmen, das Echo aus Berlin. Klangqualität Hinterwald, hinterm Berg, abgrundtief. So unterstellt die Autorin eine mittlerweile unerträgliche Kulturfülle in Nordrhein-Westfalen, sie begründet das Entstehen der Soziokultur mit dem Auftreten von Sozialarbeitern, die sich Kulturarbeiter nennen und legt abschließend nahe, Kulturarbeit in NRW wolle in Konkurrenz zur Pharmaindustrie einschläfernde Wirkungen erzielen. Bodenlos unverschämt und substanzlos vom Inhalt. (...)
Was wäre zu berichten gewesen? Zum Beispiel über die vielen Kulturarbeiter in NRW, die von einer ABM zur nächsten ihre Arbeitslosigkeit im Ehrenamt verbringen; zum Beispiel über die kommunale Kulturarbeit, die überwiegend von solchen Perspektivlosigkeiten lebt; zum Beispiel von den Baudezernenten, den Kämmerern u.a., gegen die fortschrittliche Kulturdezernenten vergeblich anrennen; zum Beispiel über die vielen Vereine und Initiativen in NRW, die seit Jahren ein anderes Kulturverständnis als das kommunal geförderte praktizieren; zum Beispiel über den Protest gegen den Aaltobau, in dem die Abschlußveranstaltung „Kultur '90“ stattfand und der die Stadt Essen mehr kosten wird, als alle alternative Kulturarbeit in Essen zusammen usw. „Kultur '90“ operierte nicht, wie die Autorin feststellt, mit den Schlagworten der 70er Jahre, sondern durchaus zeitgemäß mit dem, was bis heute noch nicht erreicht ist. Es unterstützt überdies erstmalig in dieser Deutlichkeit den Versuch, Soziokultur förderungsfähig zu machen. Und wenn jetzt die Autorin begründet hätte, warum das schlecht ist, ja dann wäre es spannend geworden... (...)
Peter Vermeulen, Krefeld 11
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