: Edelsteinhandel und Widerstand in Birma
Ein Gespräch mit Brang Seng, einem der Anführer des bewaffneten Widerstands in Birmas Dschungel ■ I N T E R V I E W
Nicht weniger als 43 „Oppositionsparteien“ haben die birmesische Junta am Freitag um Mäßigung gegenüber den in die Grenzgebiete geflohenen Studenten gebeten. Vor den rigorosen Säuberungswellen der am 18.September erneut an die Macht geputschten Militärs haben sich viele Oppositionelle in den Untergrund zurückgezogen. Nach offiziellen Angaben sind seither 461 Menschen erschossen worden; unabhängige Kreise sprechen von über 1.000 Todesopfern. Studenten und Schüler, die noch im Juli und August gemeinsam mit Hausfrauen, Geschäftleuten und Mönchen für ein Mehrparteiensystem demonstrierten innerhalb von vier Wochen zwei Diktatoren zu Fall brachten, suchen zu Tausenden im Dschungel bei den ethnischen Guerillabewegungen Zuflucht. Ultimativ hat die Regierung die übergelaufenen Studenten aufgefordert, sich bis zum 18.November in den eigens zu diesem Zweck eingerichteten Auffanglagern einzufinden, andernfalls würden sie als Rebellen eingestuft.
Der schleichende Krieg gegen eben jene Widerstandsbewegungen an der Peripherie der birmesischen Union hat seit Staatsgründung vor vierzig Jahren wesentlich zur Legitimation der zentralen Rolle der Militärs beigetragen. Beigetragen haben die schwelenden Konfliktherde aber auch zur drastischen Verarmung der ehemaligen Reiskammer Asiens. Jetzt erst gerät der Krieg gegen die Minoritäten, die de facto den einzigen bewaffneten Widerstand gegen die Junta stellen, in den Mittelpunkt des Interesses. Mit 10.000 Mann unter Waffen dominiert die Kommunistische Partei Birmas (CPB), die militärisch bedeutsamste Guerillafraktion. Im Nordosten des Landes liefert sie sich seit Mitte September schwere Kämpfe mit der birmesischen Armee. Daneben haben sich zehn ethnische Guerillafraktionen unter dem Signum der „Nationalen Demokratischen Front“ (NDF) zusammengeschlossen. Chef des NDF-Kommandos Nord und Vorsitzender der Kachin -Unabhängigkeitsorganisation (KIO) Brang Seng stattete letzte Woche führenden Vertretern der Bonner Parteien einen inoffiziellen Besuch ab und bat um finanzielle Unterstützung für den Widerstand. Das Auswärtige Amt sprach von Gesprächen auf Arbeitsebene, die sich um einen Ausgleich der Interessen im Rahmen des Gesamtkonflikts bemühten.
taz: Viele Studenten haben sich vor den Verhaftungen und Vergeltungsmaßnahmen der Militärs an die birmesisch -thailändische Grenze geflüchtet. Beabsichtigt die NDF die übergelaufenen Studenten zu bewaffnen?
Brang Seng: Nicht nur Studenten und Schüler, auch buddhistische Mönche und Arbeiter - mehr als 10.000 suchen bei uns Zuflucht. Wir halten es für unverantwortlich, die verbitterten jungen Leute zu bewaffnen, im Vergleich zu ihnen ist die Armee ein Goliath. Da sie aber die Junta fürchten müssen, können sie vorläufig bei uns bleiben. Wir geben ihnen zur Zeit lediglich ein militärisches Training, wie sie es von uns verlangen, um gegen das Regime kämpfen zu können. Sie werden gut versorgt. Dafür brauchen wir aber finanzielle Unterstützung von humanitären und religiösen Organisationen und von den Regierungen der reichen Nationen. Eigentlich gehören diese Jugendlichen zurück an ihre Schulen und Universitäten.
Wie stark ist die NDF und wie finanzieren die einzelnen Gruppen der NDF ihre Waffenkäufe?
Die NDF verfügt über 35.000 Mann starke Streitkräfte, und wenn die Situation es erfordert, können noch viele Reservisten mobilisiert werden. Wir erhalten keinerlei ausländische Unterstützung wie etwa die Regierung des langjährigen Despoten Ne Win. Allerdings kontrollieren wir eine an Bodenschätzen reiche Hälfte Birmas. Wir betreiben Forstwirtschaft, Edelsteinhandel und Bergbau. Hinzu kommen Einnahmequellen aus dem Grenzhandel mit den Nachbarländern Thailand, China und Indien. Die Weltbank hat den jährlichen Betrag des Schwarzhandels über die Grenzen inoffiziell auf bis zu sechs Milliarden Mark geschätzt - 40 Prozent von Birmas Bruttosozialprodukt.
Woher bekommen Sie die Waffen?
In erster Linie kaufen wir Waffen wie M 16 und AK 47 an der thailändisch-birmesischen Grenze, wo es reichlich Angebote gibt. Darüber hinaus erbeuten wir in den Kämpfen gegen die birmesische Armee einen Teil der Waffen.
Welche politischen Ziele verfolgt NDF?
Wir streben einen föderativen Staat an, in dem alle Bürger, Birmesen wie auch die ethnischen Minderheiten, in Frieden und Demokratie zusammenleben können.
Welches ökonomische System strebt die NDF an?
Birma ist noch ein rückständiges Land. Aber das sozialistische System, das wir seit 26 Jahren erlebt haben, war nicht das richtige. Die NDF befürwortet eine Öffnung des Systems wie in anderen Entwicklungsländern, etwa in Thailand, und die Förderung einer freien Marktwirtschaft.
Möchten Sie, daß Birma seine neutrale Außenpolitik aufgibt?
Birma ist ein kleines zwischen zwei Machtblöcken eingekeiltes Land. Daher ist es günstiger, wenn wir unsere Blockfreiheit beibehalten - eine Politik, die seit U Nus Zeiten in den letzten zwanzig Jahren fortgesetzt wurde und mit der wir durchaus übereinstimmen.
Die verschiedenen Minderheiten gehören unterschiedlichen Glaubensrichtungen an. Kommt es zu Konflikten zwischen Christen und Buddhisten?
Nein, bis jetzt sind uns solche Probleme erspart geblieben.
Wie vereinbaren sie es, gleichzeitig Mitglied der antikommunistischen Weltliga WACL und Verbündete der kommunistischen Partei Birmas zu sein?
Wir haben unsere Mitgliedschaft in der WACL seit 1972 dazu benutzt, auf unsere Situation in Birma aufmerksam zu machen. Sie sollten dabei nicht vergessen, daß unser Kachin-Gebiet äußerst abgeschieden ist und wir nur wenig Zugang zur Außenwelt haben. Gleichzeitig haben wir natürlich den Kontakt zur CPB gesucht, da wir es uns nicht länger leisten konnten, einen Zweifrontenkrieg zu führen. Bis 1975 kam es oft zu militärischen Konflikten mit der CPB. Jetzt sind wir uns einig, daß uns das nicht weiter bringt, zumal die CPB ihre alte Politik des Totalitarismus aufgegeben hat. Wie manche europäischen kommunistischen Parteien auch unterstützt sie jetzt glaubwürdig eine Mehrparteiendemokratie.
Saw Maungs Regierung gibt vor, demokratische Wahlen abhalten zu wollen. Bis jetzt haben sich 18 politische Parteien bei der Wahlkommission angemeldet, darunter auch die Nationale Einheitspartei, die seit 26 Jahren unter wechselnden Namen an der Macht ist. Wird die NDF sich zur Wahl stellen oder nur eine Partei unterstützen?
Die NDF unterstützt alle dem Regime oppositionell gegenüberstehenden demokratischen Kräfte. Wir glauben aber nicht daran, daß das Regime Wahlen wie versprochen fair und frei abhalten wird. Kürzlich hat die Militärregierung ja schon verlautbart, daß Wahlen nicht vor Frühjahr nächsten Jahres abgehalten werden.
26 Jahre lang haben die Militaristen der birmesischen Armee die Macht ungestört genießen können. Sie haben die Macht in allen Bereichen monopolisiert und werden auch weiterhin versuchen, die Macht an sich zu reißen. Wenn ihnen tatsächlich daran gelegen wäre, ein demokratisches System zu etablieren, hätten sie nicht geputscht und friedlich demonstrierende Studenten, Schüler, Arbeiter und Mönche so brutal erschossen. Gegen jene Demokraten, die noch vor ein paar Wochen demonstriert haben, rollt jetzt eine Verhaftungswelle. Die Putschisten wollen die Welt und das Volk doch nur in die Irre führen. Die beste und sauberste Lösung wäre nach wie vor die Bildung einer Interimsregierung, die demokratische Wahlen innerhalb kürzester Zeit abhält.
Wie stehen die Chancen für einen Demokratisierungs- und Friedensprozeß in Birma?
Wir begrüßen es, daß die Geberländer, Japan, die BRD und die USA, ihre Hilfe vorerst einstellen. Das Regime muß darüber hinaus weiter politisch und wirtschaftlich isoliert werden, bis es einem Demokratisierungsprozeß nicht länger im Weg steht. Wenn nötig, sollten die westlichen Länder sogar ihre Botschafter zurückbeordern.
Momentan herrscht in Birma gespannte Ruhe, aber man kann den Volksaufstand gegen die Militaristen nicht einfach aus der Welt schaffen. Da Birma allerdings nichts mehr braucht als inneren Frieden - das hat die 40jährige Geschichte bereits gezeigt - ist die NDF jederzeit bereit, sich für den Erhalt des Friedens und der Demokratie mit allen Kräften einschließlich des Militärs an den Verhandlungstisch zu setzen.
Interview: Khin Nyo
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