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Die Frauen von heute

■ Die „freundin„-Werbeplakat-Kampagne wirbt um - ja um wen eigentlich? / Wie wärs mit: „Die Frauen von morgen waschen den Frauen von heute den Kopf

Kennen Sie Alexandra? Nein? Dann will ich Ihnen mal was verraten: Alexandra hat heute mehr auf dem Konto, weil sie mehr auf dem Kasten hat. Wie? Das verstehen Sie nicht? Gut, dann mal weiter: Alexandra baut heute weniger Unfälle, weil sie den Männern nicht alles nachmacht. Sie macht auch lieber Karriere als Betten und ist heute modebewußt, weil sie selbstbewußt ist. Sie gefällt den Männern, weil sie sich nichts

gefallen läßt und hat lieber Schweißperlen auf der Stirn als Ringe um den Bauch. Sie ist übrigens heute auch hübscher, weil sie klüger ist. Und wenn ich Ihnen jetzt noch sage, daß ihr heute die Mode wieder Spaß macht, dürfen Sie nicht denken, Alexandra sei gestern noch krank oder irgendwie geistig umnachtet gewesen - nein: Alexandra steht seit zwei Jahren für „die Frauen von heute“. Jedenfalls in der Werbeplakat-Kampagne der Frauenzeitschrift „freundin“. Und Alexandra heißt sie nur in der Werbesprache, als Typ, als Leitbild für die Frauen von heute zwischen 20 und 29, mode und selbstbewußte Karrieretypen. Alexandra ist keine Frau von gestern.

Die Frauen von gestern, ab 30 aufwärts, so wie ich, die haben so wenig auf dem Konto wie auf dem Kasten; die machen lieber Betten als Karriere; die tragen Korsetts, weil sie kein Rückgrat haben; die bauen mehr Unfälle, weil sie den Männern alles nachmachen; die gefallen den Männern nicht, weil sie sich alles gefallen lassen, sind häßlicher, weil sie dümmer sind, und Mode macht ihnen immer noch keinen Spaß. Also: Die Frauen von gestern umwirbt freundin Alexandra nicht, um wen wirbt sie aber dann?

Da kommen Sie nie drauf: Sie wirbt um Monika. Monika soll die freundin lesen. Monika ist auch eine Frau von heute, auch als Typ von der „Life-Style-Forschungsstudie“ der freundin ausgeheckt. Auch Monika ist zwischen 20 und 29, doch Monika hat ein Problem. Nein: mehrere Probleme. Monika will so sein wie freundin Alexandra, aber wo die studiert hat, hat Monika nur Hauptschulabschluß - und nicht mal eine Lehre. Wo Alexandra erfolgreich ist und hohen Lebensstandard hat, bemüht sich Monika

darum, den Anschluß an die materiellen Standards der Mittelschicht zu halten. Woher ich das alles weiß? Von der freundin, die in schöner Offenheit in einem Werbefachblatt ihre Kampagne darlegt. Und da steht: „Alexandra übernimmt die Leitbildfunktion für Monika, auf die die Kampagne ausgerichtet ist.“

Die arme Monika braucht also auch noch ein Korsett, weil sie kein Rückgrat hat. Sie muß sich mehr einschränken, als ihr lieb ist und hat wenig Interesse für Politik und Kultur. Dafür will sie Geld haben, in Luxus leben - wie Alexandra. Sie ist also keine mehr von gestern, aber von heute ist sie in Alexandras Augen auch noch nicht. Genaugenommen hält Alexandra Monika für ziemlich blöd: Monika gäbe alles, was sie auf dem Konto hat, für Kleidung aus, weil sie sonst nicht viel auf dem

Kasten hat. Sie würde vielleicht auch lieber Karriere als Betten machen, aber Karriere macht ja schon die gut ausgebildete Alexandra. Und auch Monika würde sicher gerne den Männern gefallen, gerade weil sie sich, wie Alexandra, wenig gefallen läßt. Doch da sie zwar Luxus liebt, aber nicht hat, wird sie sich von den Männern allerhand gefallen lassen. Modebewußt ist Monika nicht, weil sie selbstbewußt wäre - sie ist nur selbstbewußt, wenn sie sich Mode leisten kann.

„Die Frauen von heute tragen ihre Haare so, wie es ihr eigener Kopf für richtig hält“, heißt einer der freundin -Slogans. Monika, wie wär's mit dem Slogan: „Die Frauen von morgen waschen den Frauen von heute den Kopf so, wie es sich kein Friseur getrauen würde“?

Sybille Simon-Zülch

Aus: zettBeh vom 29.10.88.

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