: Nur ein Flaggenwechsel-betr.: "Langen - die neue Hauptstadt der Bewegung", taz vom 28.10.88
betr.: „Langen - die neue Hauptstadt der Bewegung“, taz vom 28.10.88
Die alte Schranne (steht sie noch nicht unter Denkmalschutz?) in Weißenhorn, bayerisch Schwaben (das verträumte Städtchen liegt unweit von Memmingen und Oberrohr bei Krumbach, dem Geburtsort des „handfesten Schwaben“ Theo Waigel, der, wäre er zwei Tage vor dem 22.April 1939 geboren worden, sicherlich auf den Namen Adolf getauft worden wäre.) - war unser liebster Spielplatz, besonders zur Herbstzeit; da konnten wir uns zwischen den Getreidesäcken herrlich verstecken. Wir, das waren der Franz, der Hansi, der Egon, der Benno und ich.
„Mit dem Benno darfst du nicht mehr spielen, der ist gottlos, seine Eltern sind Kommunisten und wohnen tun sie im Armenhaus, dort unten an der Roth“, ermahnte mich - es muß so Ende der zwanziger Jahre gewesen
sein - meine streng katholische Großmutter. Nicht nur ich, auch meine anderen Spielkameraden mieden nach und nach den Benno. Wir wurden beigeisterte Hitlerjungen, marschierten dann in dem uns anerzogenen Wahn für Hitler „durch Nacht und Not“, „bis alles in Scherben fällt“, „denn heute gehört uns Deutschland und morgen die ganze Welt“ - nicht nur gesungen haben wir dies, wie man heute weiß. Aber was angeblich keiner weiß in Weißenhorn, wo Benno und seine Eltern abgeblieben sind.
Warum ich diese meine Erinnerung hier niederschreibe? - Sie taucht immer wieder aus meinem Kindheitsgedächtnis auf, so zum Beispiel beim Lesen des Artikels von Klaus Peter Klingelschmitt, oder wenn ich mit meinem Freund Egon zusammen bin, der seine „Deutschland, Deutschland über Alles -Einstellung“ beibehalten hat - keine Spur „Von der Last, ein Deutscher zu sein“ (Ralph Giordano).
Die Entnazifizierung nach 1945 war nur ein Flaggenwechsel, ein Austausch der Hitlerfahne - auf Bayern bezogen - gegen den weißblauen Fetzen: „Der Schoß der diese Brut gebiert ist noch nicht kalt!“ (Berthold Brecht).
Karl Heinz Klaiber, Würzburg
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen