: Kein Gedenken auf dem Ku'damm
Berliner Verwaltungsposse zu Ausstellung über Novemberpogrome / Straßengesetz als Begründung zitiert / Nur Wahl- und Zirkuswerbung zugelassen / Am Ende lenkt Bezirksrat ein ■ Aus Berlin Birgit Meding
Wie in Frankfurt sollte auch in Berlin eine Straßenausstellung anläßlich der Novemberpogrome 1938 an die Vielfalt des jüdischen Lebens erinnern und an deren Verfolgung und Ermordung im Nationalsozialismus gemahnen. Dazu sollten auf dem Berliner Prachtboulevard Kurfürstendamm 32 Texttafeln der Berliner Geschichtswerkstatt aufgestellt werden. Was in Frankfurt problemlos umzusetzen war, vereitelten in Berlin eifrige Mitarbeiter des zuständigen Bezirksamtes. Laut Berliner Straßengesetz seien solche Stelltafeln nicht erlaubt. In der Ablehnung heißt es: „Der geschützte Baubereich Kurfürstendamm ... ist durch die unterschiedlichsten Straßenmöbel und sonstigen Aufbauten bereits stark belastet.“ Sondernutzungen gebe es nur für Zirkus- und Parteienwerbung. Mit „Straßenmöbeln“ aller Art aber wollte sich die Geschichstwerkstatt nicht gleichsetzen lassen und legte bei der nächst höheren Behörde, dem Senat für Verkehr und Betriebe, Beschwerde ein. Doch auch die hier zuständigen Mitarbeiter entschieden sich für vermeintliche Gesetzestreue. Präzedenzfälle wolle man nicht schaffen, außerdem würde das die „Schönheit des Stadtbildes“ verunstalten. „Im Grunde ist das dieselbe Bürokratie wie vor 50 Jahren“, erklärte Gisela Hahn von der Geschichtswerkstatt zum Verhalten der Behörden. „Alles läuft legal und ganz mechanisch, daran hat sich nichts geändert.“ Auch ein Beschwerdebrief an den Bausenat blieb unbeantwortet. In dieser Angelegenheit, so ein Mitarbeiter, gebe es keine nächst höhere Widerspruchsbehörde. Baustadtrat Laschinski (CDU), der tags zuvor noch einer anderen Berliner Zeitung erklärte, das Straßengesetz könne nur durch das Abgeordnetenhaus geändert werden und somit könne die Austellung nicht genehmigt werden, entschied sich gestern überraschend anders. Das sei eine so ernsthafte politische Angelegenheit, daß er von seinem „Ermessensspielraum“ Gebrauch gemacht und nun grünes Licht für die Ausstellung erteilt habe.
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