: Nicaragua und USA - neue Krise
Abschiedsstimmung in Managua: Die Angestellten der US-Botschaft verkaufen ihre Möbel / Ein Bruch der diplomatischen Beziehungen würde Fakten für den Nachfolger von Präsident Reagan schaffen ■ Aus Managua Ralf Leonhard
War es schon früher für einen Nicaraguaner nicht einfach, zu dem begehrten Visum für „Reagan-Country“ zu kommen, so sind die Türen für eine legale Einreise jetzt dauerhaft geschlossen. Regierungs- und FSLN-Vertreter sollen schon gar nicht ins „Konsumparadies“ eingelassen werden, „weil dies den Interessen der USA abträglich“ wäre, wie es in einer Erklärung des Weißen Hauses vom 25. Oktober heißt.
Trotz aller Kriegshandlungen gegen Nicaragua hat Washington die diplomatischen Beziehungen zur Revolutionsregierung bisher nicht abgebrochen. Das jüngste Verbot, das verhängt wurde, während Nicaragua noch mit den unmittelbaren Folgen einer Sturmkatastrophe kämpfte, wird in diplomatischen Kreisen als Vorbereitung eines völligen Bruches interpretiert. Würde er jetzt vollzogen, stünde der Nachfolger Reagans vor vollendeten Tatsachen.
Das Einreiseverbot erstreckt sich auch auf Personen, „die der Außenminister als Repräsentanten Nicaraguas einstuft, unabhängig davon, welche Art von Paß sie haben“. Was bisher als stillschweigende Praxis gehandhabt wurde, ist jetzt amtlich. Begründet wird der ungewöhnliche Schritt mit „der Unterdrückung der Pressefreiheit, der Unterstützung der Subversion in Zentralamerika“ und nicht zuletzt mit der Ausweisung von US-Botschafter Richard Melton und sieben seiner Mitarbeiter im vergangenen Juli. Nachdem der Diplomat, der beschuldigt wurde, die Opposition zu Provokationen aufgestachelt zu haben, zur persona non grata erklärt worden war, hatten die USA als Vergeltung Nicaraguas Botschafter Tünnermann und sieben weitere Funktionäre aus den Verenigten Staaten von Amerika ausgewiesen.
Seither ist das Konsulat geschlossen. Zwar arbeiten noch 31 permanent akkreditierte Diplomaten und fünf Konsularbeamte an der Botschaft in Nicaragua. Doch selbst die haben jetzt begonnen, ihre Möbel, Fernseher und Stereoanlagen zu verkaufen: Abschiedsstimmung. Sie waren bisher, wie an der Botschaft zu erfahren war, „auf höhereren Befehl“ zur Arbeit mit den Oppositionsparteien abgestellt.
Nur die Spitzen der Opposition oder Leute, die mit warmen Empfehlungsschreiben der Parteichefs oder aus der Feder Kardinal Obando y Bravos ausgestattet sind, zählen heute zum erlauchten Kreis der „genehmen“ Nicaraguaner. Einem Kinderchor ist jüngst die Einreise verweigert worden und auch die Schönheitskönigin „Maja 88“ durfte nicht zu einer Konkurrenz nach Puerto Rico jetten. Selbst einer Reihe von Familienangehörigen und Ministern, die Daniel Ortega Ende September zur UNO- Vollversammlung in New York begleiten sollten, hatte das State Department die Visa vorenthalten. Der Staatschef sagte daraufhin aus Protest seinen Auftritt vor den Vereinten Nationen ab.
Die Nicaraguaner ihrerseits rächen sich für die Repressalien, indem sie von US-Funktionären verlangen, daß sie vor jeder Einreise nach Nicaragua ein neues Visum beantragen.
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