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TNT im Wasserschutzgebiet

Wegen Verseuchung in Stadtallendorf herrscht Bauverbot / Giftmülldeponie im Trinkwassereinzugsgebiet / „Ein chemischer Zoo“ / Die Verseuchung ist altbekannt, aber die Sanierung schien früher einfach zu teuer  ■  Aus Marburg Stefan Reinecke

In Stadtallendorf im Landkreis Marburg-Biedenkopf herrscht defacto Bauverbot. Weite Teile der mittelhessischen industriestadt sind mit TNT-Rückständen aus der Bombenproduktion des Zweiten Weltkrieges verseucht. Ein Gutachten des Regierungspräsidiums in Giessen brachte jetzt erschreckende Werte zutage: bis 250 Gramm TNT pro Kilo Erdreich, 11.500 Mikrogramm TNT in jedem Liter Abwasser eines Kanalrohres. Die bislang einschneidendste Maßnahme gegen die Verseuchung: In Stadtallendorf darf vorerst nur noch bauen, wer nachweisen kann, daß sein Grundstück giftfrei ist.

Bekannt ist die Verseuchung schon länger. Bereits 1957 wies ein Wissenschaftler in seiner Dissertation die TNT -Rückstände nach. Und 1980 hatte das Gesundheitsamt moniert, daß der Giftmüll, der zum Teil auch in einem Trinkwasserschutzgebiet deponiert ist, auf lange Sicht nicht tragbar sei. Aber saniert wurde nicht, der Skandal verschwand aus den Schlagzeilen. Eine Abtragung des verseuchten Erdreichs schien zu teuer, zudem wußte keiner, wohin mit dem Gift.

100.000 Kubikmeter, eine Giftmüllhalde so groß wie ein Fußballfeld, findet sich im Wasserschutzgebiet. Seit Jahren wird hier trotzdem die Hälfte des Bedarfes der mittelhessischen Wasserversorgung abgepumpt. „Ein chemischer Zoo, der langsam ausblutet und niemals analysiert wurde“, konstatiert der Marburger Chemiker Rainer Haas. Seit 1980, als die Abraumhalde des Weltkrieges erstmals Schlagzeilen machte, wird der Anteil giftiger aromatischer Aminverbindungen überhaupt gemessen. Statt Sanierung setzten die Verantworlichen aber auf Reinigung. Das Trinkwasser wird seitdem mit Aktivkohlefilter gereinigt und das Abwasser der Müllhalde in Abschöpfbrunnen aufgefangen. Weitergehende Analysen wurden ebensowenig vorgenommen wie Überlegungen über mögliche Langzeitfolgen der Vergiftung angestellt wurden. Jetzt scheint es, als sei nach den neuesten Zahlen eine breite Diskussion in Gang gesetzt. Ob das aber endlich zur Sanierung der Deponie führen wird, bleibt weiter fraglich.

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