: Wildgewordene Geister am Werk
■ Mit dem Titel „Tod + Teufel. Ein Erntedankfest“ belud die Bremer Künstlerin Dagmar Hess die Kommunale Galerie mit Entsetzlichkeiten jeglicher Art: Oh Gott, ein Spektakulum!
Es stinkt in der Kommunalen Galerie! Zwar stehen die Fenster offen, doch auch die frischeste Luft kann nichts ausrichten vor einem Kasten mit faulenden Steaks auf Krankenbetten. Ein zwischen Stäben baumelndes angetrocknetes Schweineherz ist schon von weitem zu erkennen und erspart das Nähertreten und damit Inhalieren einer entsprechenden Duftwolke.
Nun ist die Kommunale Galerie nicht etwa zum Depot für Abfallfleisch geworden. Die Duft-Stücke sind die am Rande erwähnenswerten Details eines Kunst-Stückes der Bremer Künstlerin Dagmar Hess: Unter dem Titel „Tod und Teufel Ein Erntedankfest“ belud sie die Ausstellungsräume mit einer Art Kultplatz, der wirkt, als seien wildgewordene Geister heidnischer, christlicher und labormoderner Coleur am Werk gewesen.
Dabei kann nicht behauptet werden, Dagmar Hess sei von allen guten Geistern verlassen gewesen bei dieser Installation. Teile davon sind durchaus eindrucksvoll, auch dann, wenn man die entscheidende Performance,
mit der die Ausstellung eingeleitet wurde, nicht gesehen hat. Die ging trotz mancher Maniriertheiten und Längen unter die Haut und bot vor allem Erklärungen, die den nachfolgenden Besuchern fehlen. So hatten die mit schwarzem Gummi bekleideten und mit vertrockneten Rosen behelmten Wesen unter anderem auch den Versuch unternommen, durch den dichten Mundschutz hindurch das deponierte Obst zu essen. Eine Unmöglichkeit, die an die teuflischen Umweltgifte erinnern sollte, die sich zwischen Mensch und Nahrungsaufnahme schieben.
Im trüben Tageslicht bleiben von den vielen symbolischen Handlungen nur noch die eher trivial wirkenden Zutaten: ein Berg von Nylonstrümpfen, alte Taue, Einweckgläser mit Menschenembryos, auf Stangen gespießte Früchte. Zusätzlich viele privater Erinnerungskram. In dieses Sammelsurium aber mündet eine Installation aus Bahnschwellen, die flankiert werden von nackten Stämmen, denen auf Sackleinen gemalte Totenköpfe wehen.
Diese Komposition hat nicht
nur einen ästhetischen Reiz, sondern so viel eigene Ausdruckskraft, das es des vielen Drum und Drans nicht bedurft hätte. Das Grausige, das Rätselhafte, das Tödliche in uns, das das Schreckliche inszeniert - all dies deutet sich ausreichend in dem „Totenwald“ an. Eine Ecke weiter wird es endgültig zuviel: noch ein Totenfloß, Blümchen, Vogelschädel und Steaks in Kästen. Man kann Dagmar Hess zugute halten, daß sie vor der Ausstellung selbst Zweifel an der Üppigkeit ihres Enviroments äußerte - dann hätte sie aber auch die Zweifel beherzigen sollen.
Bleiben die sehenswerten Zeichnungen. Tod und Zerstörung auch hier, knapp in der Linie, zurückhaltend in der Farbe, intensiv und bewegend. Den Teufeln, die die Künstlerin verleitet haben mögen, zuviel des Guten zu tun, standen offenbar Schutzengel gegenüber, die zeigten, wie sie Form und Sensibilität in Einklang bringen kann. Mal sehen, wer die Schlacht in Zukunft gewinnen wird.
Beate Naß
Bis 13.11. Mo-Fr 10-16, Do 10-18, So 11-15 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen