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Einstimmig für NS-Dokumentationszentrum

■ Rechtsausschuß versuchte gestern vor dem Jahrestag der Pogromnacht am 9. November ein Zeichen zu setzen / Ersatzantrag der CDU zum ursprünglichen AL-Antrag: Senat soll ein Forschungs- und Dokumentationszentrum über NS-Justiz einrichten /

Wenn eine Koalitionsmehrheit im Ausschuß eine Sache „nicht übers Knie brechen“ (Krüger'CDU) will und es dann tut, darf man sich wundern; wenn es der Rechtsausschuß tut, muß man sich doppelt wundern. „Die Sache“, um die es gestern nachmittag bei der Rechtsausschußsitzung ging, war ein Antrag der Alternativen Liste vom Januar '87, der auf dem besten Wege war, zur Altlast der jetzigen Legislaturperiode zu werden.

Die AL will ein „Dokumentations- und Forschungszentrum zur NS-Justiz“ in Berlin. Eine politische Konsequenz aus dem chronischen Skandal, daß eben nie ein NS-Jurist rechtsgültig verurteilt wurde. Als Aufgaben werden genannt: Sammlung aller Ermittlungsakten gegen NS-Richter und Staatsanwälte; Benutzbarkeit anderer Archive, auch in der DDR und im Ausland; Vorbereitungen von Ausstellungen.

Das letzte, was die AL vom Schicksal ihres Antrages wußte, war, daß Staatssekretär von Stahl im März '87 eine Abstimmung vermeiden konnte, weil er seinerzeit, schon auf dem Wege nach Bonn, eilig versprach, im Bundesjustizministerium dieses Projekt politisch abzuklären. „Jetzt ist das Datum, einen Schritt zu machen“, beschwor die AL-Abgeordnete Kirstin Jörgensen in Anspielung auf den 9.November den Ausschuß. „Berlin muß seine dunklen Flecken zeigen“, pflichtete Gernhardt (SPD) bei. „In der Tendenz ist alles richtig“, setzte Tietze (CDU) fort. Aber bevor die Allparteienkoalition auszubrechen drohte, begannen die „Aber“. Und sie verhießen Übles: Tietze, der die Tendenz guthieß, betonte nun, daß die NS-Justiz gar kein selbständiger Strang im nationalsozialistischen Machtapparat sei.

Deswegen müsse ein „Gesamtbild“ des gesamten NS -Machtapparates erstellt werden und daher: Überweisung an den Wissenschaftsausschuß. Krüger (CDU) warnte vor „Zersplitterung“, denn schließlich gebe es schon Archive in Ludwigsburg, Koblenz, München und Freiburg. Warum also Berlin? Und wenn Berlin, warum dann nicht Leipzig, wegen des Reichsgerichtes? Von Stahl sah Probleme rechtlicher und sonstiger Art. Senator Rehlinger schlug vor, man solle doch eine „sachkundige Person“ mit der „Skizze“ zu einem derartigen Projekt beauftragen. Das Projekt drohte schon ins Jahr 2000 hineinzugehen. Da aber begann Lorenz (SPD) einen „lausigen und schalen Geschmack“ zu spüren, und Kammholz von der FDP appellierte: es sei doch Konsens über die Tendenz. Auf einmal war allein noch das Problem da, daß die CDU nur nicht dem AL-Antrag zustimmen konnte wegen unbekannter „fürchterlichen Einzelheiten“. Also zauberten sie einen Ersatzantrag: „Der Senat soll dafür Sorge tragen, daß ein Forschungs- und Dokumentationszentrum in Berlin eingerichtet wird. Er soll prüfen, ob dieses Projekt um die anderen Machtapparaturen des Nationalsozialismus erweitert werden soll. Ergebnis: Einstimmigkeit, nicht zuletzt zur Überraschung der AL-VertreterInnen. Man sieht, unter dem Druck von Jahrestagen kann der parlamentarische Gang sich manchmal abrupt zum Richtigen wenden.

Klaus Hartung

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