piwik no script img

Streit um Papst und Pille

In Augsburg steht der Chefredakteur der bundesweiten katholischen Jugendzeitschrift 'Junge Zeit‘ vor der Ablösung, weil er über Verhütungsmittel aufklärte / „Jugendverführung im Namen der Kirche“, wettert Kardinal Ratzinger / Nächste Woche berät die bayrische Bischofskonferenz über den Konflikt  ■  Von Lars-Martin Dudde

Augsburg (taz)- Wolfgang Lechner (35) kann „das alles nicht so ganz verstehen“. Ein Beitrag über Verhütungsmethoden in einer Jugendzeitschrift hat ihn und das Blatt massiv in die Schußlinie der Kritiker gebracht.

Lechner ist der Chefredakteur der Augsburg erscheinenden und bundesweit vertriebenen 'Jungen Zeit‘. Für das August -Heft hatte er den Stift in die Hand genommen, um persönlich die Titelgeschichte („Verhütung - Warum nicht? - Was der Papst gegen die Pille hat“) zu verfassen. In dem Artikel hatte Lechner die heftigen, kircheninternen Diskussionen vor und nach der Papst-Enzyklika „humanae vitae“ („des menschlichen Lebens...“) wiedergegeben, die vor 20 Jahren vom Vatikan veröffentlicht worden war. Die Enzyklika hatte im Widerspruch zu den Empfehlungen einer damals eingesetzten päpstlichen Kommission - alle Methoden der künstlichen Empfängnisverhütung verboten. Eine Position, die der derzeitige Papst Johannes Paul II. offenbar teilt.

Wolfgang Lechner, vor zwei Jahren als erfolgreicher Ressortleiter bei 'Eltern‘ zu dem 'anderen Jugendmagazin‘ (Eigenwerbung) übergewechselt, hatte in seinem mehrseitigen Beitrag außerdem erwähnt, daß die deutschen Bischöfe 1968 in ihrer Königsteiner Erklärung und noch bei einer Würzburger Bischofsynode 1975 davon etwas abgerückt waren. Sie hatten vielmehr die Freiheit der Gewissensentscheidung für Eheleute herausgestellt.

Doch die 'Junge Zeit‘, auf dessen August-Titel ein junges Paar in zärtlicher Umarmung und im Inneren im Zusammenhang mit dem Lechner-Artikel eine Übersicht über die verschiedenen Methoden der Empfängnisverhütung gezeigt wurde, ist nicht irgendeine der Dutzenden von Jugendblättern auf dem deutschen Illustrierten-Markt. Eine gewisse 'Weltbild-Verlags GmbH‘ in Augsburg gibt sie monatlich heraus. Das Verlagshaus am Dom der Fuggerstadt bringt eine ganze Reihe von Zeitschriften mit so unverfänglichen Titeln wie etwa 'Weltbild - das christliche Magazin‘, 'Frau im Leben - Zeitschrift für die christliche Frau‘, 'Zenit - die bunte Seniorenillustrierte‘, 'Stafette - die Zeitschrift für die Jugend ab 11‘, 'Benni- das bunte Kindermagazin‘ und eben 'Junge Zeit‘ (ab 14) an die Kunden. Sein Träger: die katholische Kirche.

Als die Sommer-Nummer erschien, war nicht nur eine Flut von kritischen wie zustimmenden Leserbriefen die Folge von Lechners Aufklärungswerk. Es war, als hätten jene Kirchenoberen, denen der agile Chefredakteur aufgrund seiner bisweilen von spitzer Ironie gekennzeichneten Artikel schon seit längerem ein Dorn im Auge war, die Zeit für gekommen gesehen, endlich das fahren zu lassen, was sie bislang zähneknirschend zurückgehalten hatten.

Ein Pater Otto Maier, Vorsitzender einer „Bewegung für das Leben“ wetterte in einem Rundbrief (an sämtliche deutsche Bischöfe sowie den Präfekten der Glaubenskongregation beim Vatikan, Kardinal Joseph Ratzinger) gegen eine angebliche „Jugendverführung im Namen der Kirche“ und rief nach „Konsequenzen“. Auch der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Friedrich Wetter, meldete sich zu Wort und stellte „einen erschrekkenden Mangel an Kirchlichkeit“ bei Wolfgang Lechner fest. Der Oberhirte vor Ort, der Augsburger Bischof Joseph Stimpfle, setzte nach: wegen dieses „unverantwortlichen Beitrages“ sei dem Verfasser das Mandat zu entziehen.

Mehr noch: Die Frage, wie weit ein Kirchenblatt bei seiner Berichterstattung gehen darf, wird Thema der nächsten Bayerischen Bischofskonferenz sein, die ab dem 9.November in Freising tagt. Schon auf der Konferenz im Frühjahr hatten die bayerischen Bischöfe das Blatt gerügt, offenbar auf Veranlassung der CSU-Landtagsfraktion. Anlaß war ein Artikel, in dem Wolfgang Lechner die französisch-deutschen Bemühungen wegen der Aufstellung eines gemeinsamen Truppenkontingents im Hinblick auf die sonstigen Probleme beider Länder glossierend behandelt hatte.

Unterstützt wird Lechner vom Pater Michael Mayr, einem der von der Kirche eingesetzten Herausgeber der 'Jungen Zeit‘. Für Mayr zeigen die Bischöfe „ein bedauerliches Beispiel, wie man Kritik in der Kirche abzuschneiden versucht“. Die drohende Entlassung des Chefredakteurs gab auch den Journalistenverbänden Anlaß zur Sorge. In einem Schreiben des Bayerischen Journalistenverbandes (BJV) und der Deutschen Journalistenunion an Kardinal Wetter heißt es, der innerkirchliche Dauerkonflikt zwischen bayerischen Bischöfen und ihrer katholischen Jugendzeitschrift zeige, „wie schwer sich die katholische Kirche mit Pressefreiheit, mit offener Diskussion und Meinungsfreiheit tut“.

Die Verbände verwiesen auf den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Lehmann. Dieser hatte betont, Aufgabe der katholischen Presse müsse es sein, „die vielschichtige Wirklichkeit der Kirchen uneingeschränkt darzustellen“. Seine Kollegen aus Bayern sehen dies offenbar anders.

Wolfgang Lechner, dessen Schreiben an die Kirchenführung mit der Bitte um ein Gespräch bislang ohne Echo blieb, zeigt sich momentan wenig gewillt, Stellungnahmen abzugeben.

Ohne die gegen ihn gerichteten Vorwürfe genau zu kennen, etwa was ihm als „Jugendverführung“ ausgelegt wird, möchte er die Bischofskonferenz in der nächsten Woche abwarten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen