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Bewegung im Streit um den Brüter

Bonner Umweltministerium und NRW-Wirtschaftsminister Jochimsen liegen sich nach der Verfassungsklage in Karlsruhe heftig in den Haaren / Jochimsen beschwert sich bei Jenninger über Töpfe  ■  Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) - Der Streit zwischen Bonn und Düsseldorf um den Schnellen Brüter in Kalkar eskaliert jetzt auf rhetorischer Ebene. Aktueller Anlaß: die Entscheidung der nordrhein-westfälischen Landesregierung, gegen die Brüter -Weisung von Reaktorminister Töpfer das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Zum zentralen Punkt der Auseinandersetzung entwickelt sich dabei immer mehr das von Genehmigungsminister Jochimsen geplante eigene Gutachten über die Konsequenzen aus der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl für den Kalkar-Brüter. Dieses Gutachten hatte Töpfer in seiner Weisung mit dem Argument untersagt, die Reaktorsicherheitskommission sei in ihrer Expertise bereits zu dem Schluß gekommen, „ein Unfall mit vergleichbaren Folgen wie in Tschernobyl“ sei beim Brüter auszuschließen.

Jochimsen begründet seine Klage in Karlsruhe im wesentlichen mit dem Bonner „Prüfverbot“. Töpfer warf dem Düsseldorfer Minister daraufhin vor, er stütze sich bei seiner Klage auf „Unterstellungen“ und vergifte die Atmosphäre.

In einer ersten Reaktion hatte Töpfer die NRW -Landesregierung noch dafür gelobt, daß sie „an ihrer wiederholten Erklärung festhalte, die Weisung des Bundesumweltministers zu vollziehen“. Tatsächlich wird die Klage in Karlsruhe nach Auffassung Jochimsens „derzeit“ keine Konsequenzen für das laufende Genehmigungsverfahren haben. Gleichzeitig erklärte er jedoch, „ohne eine gutachterliche Aussage zu den Konsequenzen aus dem Tschernobyl-Unfall“ sei die Erteilung einer weiteren Teilgenehmigung „aus rechtlichen und fachlichen Gründen nicht möglich“.

Eine „Unverschämtheit“ nennt Jochimsens Sprecher Ulrich Brüne die von Töpfer erstmals in einer aktuellen Stunde im Bundestag am 22. September öffentlich aufgestellte und auch gestern wiederholte Behauptung, Jochimsen habe ihm „mitgeteilt, daß er sich der Weisung anschließt“. Wegen der Töpfer-Aussage, die in der SPD für erhebliche Verunsicherung gesorgt hatte, wandte sich Jochimsen jetzt in einem Schreiben an Bundestagspräsident Jenninger und die Fraktionen des Bundestags. Darin beschwert sich der NRW -Minister über Töpfers Falschaussage vor dem Bundestagsplenum. Er habe nie einen Zweifel daran gelassen, schreibt Jochimsen, daß er die Weisung nicht akzeptiere, auch wenn er ihr aktuell nicht zuwiderhandele.

Töpfer zog gestern seine Ankündigung, selbst das Bundesverfassungsgericht anzurufen, vorläufig zurück. Man werde jedoch die notwendigen rechtlichen Schritte veranlassen, falls NRW „die Klage zum Anlaß nimmt, entgegen ihrer Erklärung der Weisung nicht nachzukommen“.

Der Bonner Grünen-Abgeordnete Wolfgang Daniels nannte es einen der normalsten Vorgänge, eine so hochgefährliche und pannenerprobte Technologie, wie sich beim Schnellen Brüter in Frankreich gezeigt habe, weiter auf den Prüfstand zu stellen.

Dagegen betonte der forschungspolitische Sprecher der Unionsfraktionen, Christian Lenzer, NRW versuche, mit „sachfremden Argumenten und Ereignissen“ den Gang des Genehmigungsverfahrens zu belasten. „Was hat Tschernobyl mit Kalkar zu tun“, fragte er und wies darauf hin, daß in der Sowjetunion ein völlig veraltetes unsicheres Reaktorkonzept bei totalem Fehlverhalten des Betriebspersonals zu der Katastrophe geführt habe.

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