: Turbo-Grün
■ Otto Schily wirbt mit seinem Konterfei für Porsche
Otto Schily ist unermüdlich. Während das grüne Kollektiv noch in Finanzquerelen verheddert zu keiner Bewegung mehr fähig ist, bricht er auf zu neuen Ufern, in unendlich endliche Weiten. Otto, der Philosoph: „Das Geheimnis der Individualität liegt darin, daß es die Brücke ist zwischen Endlichkeit und Unendlichkeit. Das Ich des Menschen ist sein Ursprung und Ziel zugleich.“ Das unterscheidet Ottos Philosophie vom Konzept der achtseitigen Werbebeilage, für die er sie aufgeschrieben hat: Der ökologische Ursprung des Textes und das ökonomische Ziel von Porsche müssen nämlich keineswegs eins sein. Im Gegenteil: daß Otto, einer der „Menschen, die ihre Welt bewegen“ (Porsche über Schily), das „rostige, altertümliche Fahrrad“ lieber ist als ein schnelles Auto, macht ihn für den Stuttgarter Autokonzern erst richtig interessant. So sind „Individualisten“ (Porsche über Schily) eben: Sie fahren Rad und plädieren trotzdem für „die Warenvielfalt, die Marktfülle und den Ideenreichtum von Produzenten und Konsumenten“ (Schily), sie fragen in der Überschrift zu ihrem Essay „Warum ist Pippi Langstrumpf bei den Kindern so populär?“ und guckten so erbarmungslos ernst in die Kamera, daß jede Pippi Langstrumpf sofort Reißaus nehmen würde. Manchmal, ganz selten, machen sich Individualisten auch gemeinsam ans Werk: zum Beispiel, wenn eine Werbeagentur sie zusammenruft, um dem Image deutscher Firmen in die Zielgerade zu helfen. Und dann sagt keiner nein: Der Pianist Justus Frantz („Klassische Musik ist nichts Museales“) nicht, nicht Reinhold Messner („Die Freiheit aufzubrechen, wohin ich will“), schon gar nicht der Stuttgarter CDU-Oberbürgermeister Rommel („Setzt neue Ideen gegen Denkschablonen“) oder der Astronaut Furrer („Freude am Erkennen hat den Weg ins All geebnet“) - na und eben auch Otto Schily nicht. Für den Ökofonds, an den Schily nur nach „eigenem Ermessen“ Gelder abführen will, dürfte die in der 'Augsburger Allgemeinen‘ erschienene Beilage ein guter Tip sein: wenn sie Schily auch die Möglichkeit geben, seine Diätenabgabe mit einem verquasten Essay individuell zu begründen - er wird ihnen alles geben, was sie nur wollen.
Oliver Tolmein
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen