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MARCIA PALLY

 ■  American Short Stories: Die Wahrheit über Teflon

Sehr geehrtes Wahlkampf-Team,

haben Sie sich nie darüber gewundert, warum einige Politiker ständig Dreck am Stecken haben, während andere immer wieder wie Phönix aus der Asche steigen? Das Rezept der Strahlemänner ist ganz einfach: ein nahtlos anliegender Teflonüberzug. Eingeführt hat ihn Präsident Eisenhower, unter Reagan bekam er seinen formvollendeten Schnitt. Und jetzt, meine Damen und Herren, ist es soweit. Dank einem Medienexperten der Madison Avenue können auch Sie sich ihre eigene Teflonhaut leisten. Garantiert doppelt-beschichtet.

Unsere chemisch-politische Errungenschaft ist absolut druckresistent, so daß weder Skandale noch Intrigen ihren Kandidaten gefährden können. Diese neuartige Beschichtung wird auch der Willkürlichkeit unserer Wahlen ein Ende bereiten. Gary Hart und Geraldine Ferraro hatten keine Teflonhaut, und wir wissen mit der Sicherheit, die man nur als Teflonbeschichteter hat, daß ihre Eskapaden ihre Karrieren auf immer besiegelt haben. Dan Quayle dagegen hat sein Teflon direkt beim Weißen Haus gekauft und ist gut damit gefahren. Kein Makel in seiner Vergangenheit, kein Betrug an Frau und Land könnte seinem Robert-Redford-Gehabe oder dem Bush-Wahlkampf etwas anhaben.

Natürlich benutzt auch George Bush unsere Teflonhaut. Das Teflon-Phänomen läßt sich am leichtesten am jüdischen Wahlverhalten erklären. Falls ihr Kandidat durch antisemitische Äußerungen aufgefallen ist und er dennoch von Juden gewählt wird, können sie davon ausgehen, daß da Teflon im Spiel ist. Dank seiner Teflonbeschichtung hat Bush sogar einige politische Frontalzusammenstöße überlebt.

Im letzten Monat hatten Journalisten herausgefunden, daß Bush, als stellvertretender Vorsitzender des Nationalkomitees der Republikaner einen Mitarbeiter damit beauftragte, eine Statistik über die Anzahl jüdischer Arbeitnehmer zu erstellen (wieviele sind in einem Büro zuviel?). Die ganze Affäre tat Bushs Popularität keinen Abbruch, und die orthodoxen Juden werden ihn wählen, weil sie befürchten, daß Dukakis Jesse Jackson einstellen könnte, der seinerseits wiederum Louis Farrakahn einstellen könnte, der, wie man behauptet, Gaskammern entwirft. Machen Sie sich nichts daraus, daß das ungefähr so plausibel ist wie die letzte Domino-Theorie der Amerikaner. Achten Sie lieber darauf, wer Teflon benutzt.

Letzte Woche zweifelte das Quayle Büro für einen langen Moment an unserem neuen Produkt. Im November wollte NBC-TV eine kleine Serie über einen Vize-Präsidenten starten, der aufgrund seines guten Aussehens gewählt wurde und nun von seiner dunklen Vergangenheit eingeholt wird. Der Werbespot für diese Sendung lief schon: „Aus aktuellen Schlagzeilen enstand die schärfste Serie des Jahres.“

Quayles Wahlkampfteam glaubte, daß die Ähnlichkeit auch der Öffentlichkeit auffallen könnte und intervenierte bei NBC, worauf die, kollegial wie sie sind, die Werbung absetzten. Aber Quayles Angst war unbegründet. Dank Teflon hatte keiner was gemerkt. Jeden Freitag wählen unsere Mitarbeiter die politische Peinlichkeit der Woche. Diese Woche haben unsere Angestellten sich für den Cartoon „The Cincinnati Enquirer“ von Jim Borgman entschieden.

Dukakis hält eine Wahlkampfrede: „Wenn ich euer Präsident werde, haben wir gute Arbeit für gutes Geld, gutes Essen in guten Restaurants, gute Luft in guten Reifen, gute Stifte mit guter Tinte ...“ Borgman unterbricht ihn und macht einige Verbesserungsvorschläge. „Warum versuchen Sie es nicht einmal so,'Schaut Leute, ich weiß, daß ich mich nicht besonders gut verkaufen kann, aber es bringt auch nichts, Euch was vorzumachen. Außerdem: Wollt ihr wirklich einen Verkäufer? Seit acht Jahren habt ihr Euch an Wunderheiler verkauft, die Umwelt habt ihr verkauft und eure Waffen habt ihr an den Ayatollah verkauft. Ich glaube, Ihr müßt Euch langsam darüber klar werden, ob Ihr einen Präsidenten wollt, der seinen Kopf zum Denken gebraucht, oder einen, auf dessen Kopf getanzt wird.'“ Dukais setzt neu an: „Wir haben gute Firmenzeichen auf guten Autos, gute Hühner in guten Töpfen ...“

Wollen Sie wirklich, daß Ihr Kandidat sich mit solchem Mist auseinandersetzen muß? Kaufen Sie Teflon.

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