„Übern Müll zum Video-Altar“

■ 3.Freiburger Video-Forum zeichnete eher ein trüb-starres Bild der Video-Bewegung

Während die Winzer im Badischen heuer Auserlesenes erwarten, malte das 3.Freiburger Video-Forum vergangene Woche eher ein getrübt-starres Bild der Stagnation der Video-Bewegung. Auf den Monitoren bewegte sich zwar viel während der fünf Tage Non-Stop-Programm, doch kam nicht viel in Bewegung. Der Hang zum Perfektionismus, der Einsatz von High-Tech war selbst oder gerade dem kürzesten Streifen anzumerken. Profis sind am Werk, die nicht mehr nach neuen Wegen des Umgangs mit dem Medium Video suchen, sondern für sich angekommen zu sein scheinen. Die Video-Bewegung ist in die Jahre gekommen, älter geworden. Der aktuelle, subversive Streifen läuft unter „vermißt“, dafür nehmen die ein- bis zwei-Jahres -Produktionen zu. Obwohl der Anspruch der seit zehn Jahren bestehenden Freiburger Medienwerkstatt, die das Forum zusammen mit den Kommunalen Kino bislang alle zwei Jahre veranstalten, immer noch politischer ist, ist die Gefahr der Kommerzialisierung nicht wegzudiskutieren. Schon diesmal waren professionelle Medien-Makler auszumachen, die sich nach vermarktungsgerechter Ware umtun, erzählt Pepe von der Freibuger Crew, dem diese Entwicklung völlig gegen den Strich geht. Wenn nicht mehr gemeinsame Lernprozesse, politische Auseinandersetzungen und die Begegnung von Video -MacherInnen im Vordergrund stehen, sondern Kommerz: Dann wird's in Zukunft kein Freiburger Video-Forum mehr geben, urteilt er. Abgesehen davon steht die Zukunft des Festivals sowieso auf wackeligen Beinen, weil's vorne und hinten an der nötigen Kohle hapert: „Der Etat von 30.000 Mark ist einfach lächerlich, den frißt allein die Organisation auf.“

Auch wenn Pepe in der Schlußveranstaltung enttäuscht meint, es habe keine Auseinandersetzung stattgefunden - wie vergleichsweise noch vor zwei Jahren, als sich die Leute über das „Projekt Arthur“ (Medienwerkstatt Freiburg) die Köpfe heißgeredet und gestritten haben -, sei an dieser Stelle ein Gegenstatement eines Forumsteilnehmers zitiert: „Ich komm‘ hierher, weil hier endlich mal wieder politische Diskussion laufen, die sonst nirgends mehr stattfinden.“

Wie notwendig eine solche Plattform für ein Arbeitstreffen von Videoschaffenden ist, (das Freiburger Forum ist insofern einzigartig in der Bundesrepublik) zeigte allein der Zustrom von MedienarbeiterInnen aus dem gesamten Bundesgebiet, Berlin, Amsterdam, Dänemark, England, Schweiz, Österreich ... (Das nächste Arbeitstrefen der Videoschaffenden ist übrigens schon angepeilt: Im Frühjahr 1989 im Ruhrgebiet. Dabei soll es vor allem um die Förderung junger nachwachsender Mediengruppen gehen.)

Sie alle hatten Kassetten mitgebracht, die zum Teil im offiziellen Programm (rund 50 tapes) oder im mobilen Kino „Mirona“ gezeigt wurden. Das Spektrum reichte vom Dokumentar - über den Spielfilm bis hin zum experimentellen Band. In dieser bunten Mischung lag die gewollte Würze der Konzeption: Während ein Dokumentarist beispielsweise selten mit sinnlich-künstlerischen Bilderwelten der Experimentalisten in Berührung kommt, konnte dieses 'Über den Tellerrand gucken‘ in Freiburg stattfinden. Und es hat stattgefunden - auch umgekehrt, zeitweise sogar in Gesprächen bis morgens um sechs.

Da wurde denn auch häufig nicht zimperlich miteinander umgegangen: „Der Film ist ganz einfach schlecht.“ Die herbe Kritik traf „Cuenta me de Esteli“ (Movie Managua), eine Auftragsproduktion der Städtepartnerschaften. „Zu unpolitisch“ - „zu unkritisch“ - „Es reicht einfach nicht mehr, als Linker nach Nicaragua zu fahren und die Kamera bloß draufzuhalten.“ Politische Inhalte allein, ohne die dazugehörende, passende Verpackung (Form, Schnittechnik, Komposition ...) verpuffen wirkungslos, erzeugen Langeweile, wenngleich ihr Anliegen durchaus Berechtigung hat.

An diesem Punkt erzählte Miry von den Freiburger MedienarbeiterInnen, kristallisiert sich eine grundsätzliche Schwierigkeit heraus, die sich den Video-ProduzentInnen querbeet stellt. Ein Ereignis zu filmen, sei es eine Demonstration oder Hausbesetzung, ist ein Leichtes. Doch heute gilt es, Strukturen, Machtverhältnisse und Beziehungsgeflechte visuell zu thematisieren, gewissermaßen abstrakte Theorie in Bildersprache umzusetzen., Ein Experiment, das nicht selten in die Hose geht.

Ansatzweise gelunge ist dieser Anspruch im Video „BRD -Chile: Una relacion intima“ (RVZ Berlin) umgesetzt, ohne daß die MacherInnen je in Chile gewesen wären. Im Mittelpunkt steht die Frage: Was haben wir hier mit Chile zu tun? Der Streifen macht deutlich, daß die Zeiten passe sind, als die Solidaritätsbewegung glaubte, dort, in einem fremden Land, mitmischen und helfen zu können.

Nun muß es darum gehen, herauszufinden, wo hier, an Ort und Stelle, an- und eingegriffen werden kann. Beispiel Zürich: Südafrikanische SchauspielerInnen sind in der Schweiz und anderen europäischen Länder auf Tournee. Während den Videodreharbeiten („Sophiatown“, Videowerkstatt Kanzlei) stellt einer der Schauspieler die Frage: Und was macht Ihr hier? Ihr wißt doch, daß Unmengen südafrikanischen Geldes in Schweizer Banken lagern?

Die Kaos-Filmer aus Köln präsentierten ein Video über „Journalisten, die sich nicht den Mund verbieten lassen wollen“. Zehn Tage waren die zwei Produzenten vor Ort, um anhand der verbotenen - weil PLO-freundlichen - Zeitung 'Hanitzotz/Sharara‘ die „Pressefreiheit, wie Israels Regierung sie versteht!“ zu dokumentieren: „Zensur, Gefängnis, Folter“. Das Erschütternde ist die Tatsache, daß das Medium Video in diesem Falle zur lebensgefährlichen Bedrohung geworden ist, denn nach der Ausstrahlung des Films wurde eine Redakteurin dieser Zeitung - neben weiteren drei Mitarbeitern - festgenommen. „Sie wußten, was passieren würde“, meint einer der Autoren, Peter Kleinert. Doch solch‘ lebensgefährliche Konsequenzen wollte im Saal keine/r so ohne weiteres schlucken: Wo bleibt da die Verantwortlichkeit der MacherInnen? Hätte es nicht andere Möglichkeiten gegeben, um die Gefährdung zu vermeiden? Oder: Ist es denn nicht anmaßend, die Öffentlichkeitsarbeit hier höher einzuschätzen als die kontinuierliche, politische Arbeit dort vor Ort? Manch andere/r hätte diesen Streifen wohl nicht gedreht, nicht um diesen Preis.

Videos, inklusive politische, sollen auch Spaß bringen beim Produzieren und beim Anschauen. Einem Beitrag, der spontan mit Beifall bedacht wurde, ist dieser Spaß geglückt: „Rebirth - Wiedergeburt“ tituliert sich das sechsminütige Experimentalvideo über das Fischsterben und die Gewässerverschmutzung (von Heinz-Uwe Schorn, Wuppertal). Ein toter Fisch wird gleich den Bildern zerhackstückelt. Ab mit dem Zeug in die Trommel und bei 90 Grad gekocht! Nach dem Waschgang sind aus dem Fischfleisch bratfertige Fischstäbchen geworden, schön auf Alufolie angerichtet. Schnell ist daraus ein neuer Fisch gebastelt, ein kleiner Motor unten drangebaut und das lebendige Tote schwimmt im kleinen Plantschbecken im idyllischen Gärtchen, „bis da Paniermehl rieselt“. Der Kommentar des Produzenten: „Das Schlimme daran ist, daß es uns Menschen eines Tages vielleicht auch so ergehen wird.“

Wie man mit eienr Videokamera auf keine Fall umgehen sollte, demonstrierte das Negativ-Beispiel einer Fernsehproduktion „Oukasie darf nicht leben“, heißt das Band, in Südafrika fürs ZDF gedreht. Der Text spricht zwar eine mutig-deutliche Sprache, jedoch ist es den MacherInnen gelungen, in den ganzen 30 Minuten Spielzeit nicht ein einziges Mal die Menschen, die in Oukasie leben, zu Wort kommen zu lassen. Als einziger darf ein weißer Pastor direkt im O-Ton ins Mikro sprechen und von seinr Arbeit erzählen. Gleich der Diskrepanz zwischen Kommentar und Bilderwelt, gibt es für die BetrachterIn keine Möglichkeit, die Distanz der Kamera zu überwinden. Nichts, was unter die Haut ginge, Spuren und Gefühle hinterließe. Ganz anders die Videoarbeiten über Südafrika von südafrikanischen Nachwuchsfilmern (Werkstattprojekt der Association Varan, Paris): Die Kamera ist so nah dran am Geschehen, daß die Zuschauer mit ihr in den südafrikansichen Alltag der Schwarzen eintauchen. Verbale Erklärungen werden fast überflüssig, die Bilder leben von ihrer eigenen Lebendigkeit.

Wenngleich oft heftig und kontrovers diskutiert wurde, im Fall 'Fernsehen‘ herrschte Konsens: Die TV-Produktion ist Müll. Draußen vor der Tür des Kommunalen Kinos hatte die Berliner „Mirona„-Kino-Crew prompt diese Aussage umgesetzt: Sie postierten flimmernde Glotzend zum Drauftreten als Treppenstufen, um in das mobile Kino, einen ausgebauten LKW, einzusteigen: „Über'n Müll zum Video-Altar.“

Andrea Hösch