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„Und lehrt sie: Gedächtnis!“

■ Im Ephraimpalais ist die erste Ausstellung in der DDR über die Geschichte der Juden in Deutschland zu sehen

„Und lehrt sie: Gedächtnis!“ Diese Schlußzeile aus Erich Mühsams Gedicht „Vermächtnis“ ist der Titel der ersten größeren Ausstellung in der DDR zur Geschichte der Juden in Deutschland.

Mit der Ausstellung ist ein neues Signal gesetzt worden: Die DDR erinnert sich der Juden. Bisher galt die marxistisch -atheistische Vorstellung, daß mit dem Kommunismus auch die „Judenfrage“ gelöst sei.

Der Antisemitismus sei - so Erich Honecker an den Präsidenten der Jüdischen GemeindeSigmund Roters - „mit der Wurzel ausgerottet“. Das Sich-Erinnern gilt als einer der Wesenszüge der jüdischen Kultur. In der Ausstellung ist ein Gedicht von Bertolt Brecht zu lesen, das im Gegensatz zu Erich Mühsam eher einen Wesenszug der DDR ausdrückt. Brechts Gedicht richtet sich an die „Verjagten“. Es geht um den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft. Ob alt oder jung: „Komm zurück / Vergiß alles.“

Zwischen Gedächtnis und Vergessen bewegt sich die Ausstellung im Ephraimpalais. Zu sehen sind jüdische Kultgegenstände, Gemälde aus der Zeit der Aufklärung, Dokumente und Fotos aus dem 20. Jahrhundert. Das Material auch wenn es nicht von Judenvernichtung im Dritten Reich handelt - zeigt im wesentlichen eine untergegangene Welt. In Ost-Berlin leben heute noch 2.500 Juden, aber nur 180 sind Mitglied der dortigen Jüdischen Gemeinde.

Die Ausstellung ist erstaunlich unverkrampft, war man doch bisher gewohnt, daß die DDR lieber keine Juden in den Geschichtsbüchern hatte. Man konnte Seiten über Heinrich Heine lesen, ohne zu erfahren, daß Heine Jude war. Das ist in dieser Ausstellung ganz anders. Gerade deshalb wurde sie zu einem Ereignis.

Über 14.000 Menschen, darunter auch der West-Berliner Gemeindevorsitzende Heinz Galinski, haben sie inzwischen gesehen. Es kommen Leute aller Altersstufen. Zu den Besucher gehören vor allem Schulklassen, aber auch jede Menge Polizisten in Uniform. Sie tragen in den Ausstellungsräumen keine Mütze und schlurfen in Filzpantoffeln über das Parkett des Palais. Das Ausstellungspersonal ist bestens informiert. Die Wärterinnen übersetzen nach Bedarf hebräische Texte ins Deutsche.

Die Ausstellung „Und lehrt sie: Gedächtnis!“ läuft bis zum 16. November im Ephraimpalais, Spreeufer Ecke Mühlendamm, geöffnet von 10 bis 18 Uhr, Eintritt 1,05 Mark. Ausstellungskatalog 10 Mark.

Bella Strümpel

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