: Gerüchteküche brodelt
■ Mögliche Freilassung Mandelas hält die Südafrikaner in Atem
Das Mandela-Fieber hat am Montag in Südafrika seinen bisherigen Höhepunkt erreicht. Bei Botschaften, Börsen, Rechtsanwälten, Journalisten und Regierungsstellen wurden die Drähte heiß. Seit Wochen wartende Charterflugzeuge rasten nach Kapstadt, Empfangskomitees planten erste Pressekonferenzen, Schüler feierten, statt die Schulbänke zu drücken. Freigelassen wurde niemand. Dennoch hat sich erneut gezeigt, wie stark der Mythos Mandela wirken kann.
Ein bloßes Gerücht hat in Südafrika, Kenia, London und New York für Aufregung gesorgt. Die Aktienmärkte reagierten nervös. In Kapstadt versammelten sich 3.000 Menschen nur drei Stunden, nachdem die Versammlung einberufen worden war, ohne daß ein einziges Plakat oder Flugblatt sie angekündigt hatte. Der Ausnahmezustand war plötzlich vergessen. Verbotene Forderungen wurden gestellt, verbotene Organisationen waren vertreten, verbotene Mandela-Bilder wurden gezeigt. Den Apartheid-Bossen ist es sicher kalt den Rücken heruntergelaufen. Wiederholte Dementis aus Pretoria blieben wirkungslos, denn niemand glaubt der Regierung. Sie wird sich nun fragen, wie bei einer tatsächlichen Freilassung Mandelas die Auswirkungen überhaupt vorauszusagen und zu kontrollieren sind.
Die Gerüchte könnten die Freilassung deshalb erneut verzögert haben. Das nützt vor allem jener Fraktion der Falken in der südafrikanischen Regierung, die sich mit eiserner Faust gegen Kritik aus dem Ausland und Widerstand im Inland durchsetzen will. Vielleicht waren sie die Initiatoren der Gerüchte. Dafür spricht auch, daß die Familie Mandelas durch die Unsicherheit erneut psychisch schwer belastet wurde.
Die Opposition freut sich andererseits über den mobilisierenden Effekt und hofft auf einen neuen Aufschwung im Widerstand. Womöglich stimmt es also doch, daß das Gerücht diesmal vom ANC-Hauptquartier ausging.
Hans Brandt
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