Fröstel-Fußball und Purzelbremer

■ 38.980 fußballbegeisterte Menschen bekamen kein Tor und bloß einen schlechtgelaunten Sieger: Werder taperte mit 0:0 ins Viertelfinale des Europapokals der Landesmeister

Sie kamen in kanariengelb, kurz behost und wetterfest im Halbarm-Trikot, was empfindlichen Zuschauern beim bloßen Hinsehen die Frostbeulen auf die roten Nasen getrieben haben mag. Sie haben vor 38.980 Thermosflaschen nicht unähnlich sehenden und zur Betrachtung eines Fußballspiels angereisten Menschen gut 90 Minuten ihres jungen Lebens auf gepflegtem Rasenplatz zugerüpelt - eine Beschäftigung, die man lediglich aufgrund des Austragungsortes und der luftigen Bekleidung noch als Fußballspiel hatte identifizieren können.

Dabei hatte alles so hübsch angefangen. Schottische Grün -Weiß-Menschen quollen schon gegen 11.30 Uhr rund ums Weserstadion aus ihren 24 Reisebussen und fügten sich putzig ins hanseatische Stadtbild: Sie füllten die gastronomischen Einrichtungen des Viertels, führten zu handgearbeiteter Querflötenmusik Tänze ihrer Heimat auf öffentlichen Plätzen auf, verhedderten

sich zum Schutz gegen die Kälte in ihren Fahnen und waren ununterbrochen und mächtig guter Dinge.

Leider beherrschen die Herren, für die so fröhliche Menschen schwärmen, lediglich eine Art Vorwärts-Fußball, den Otto Rehhagel in der Pressekonferenz übellaunig als „american football“ begrantelte: „Den Ball vor und alles hinterher.“

Dabei, so der Trainer, „war das Stadion sehr schön gefüllt. Man hatte sich wohl auf einen glanzvollen Abend eingerichtet.“ Werder Manager Willi Lemke gar auf „das Spiel des Jahres“. Das war es definitiv nicht. Beide Mannschaften bewegten sich nach Art einer aufgeregt gackernde Hennenschar planlos und unmotiviert herumkickend über die grüne Fußballwiese, bloß in den allerletzten zehn Minuten haben Fachleute so etwas wie Spielzüge auf dem Rasen ausmachen können. Trainer Rehhagel:„Die Schotten haben sehr hartes Vor

checking und ohne Libero gespielt, dadurch hatten sie einen Mann mehr im Mittelfeld. Wir haben uns aus der Umklammerung einfach nicht lösen können.“

Stattdessen purzelte immer mal wieder ein grün-weißer Werderaner aus dem bunten Haufen, in der 65. Minute dann gar ein gelber Schotte mit dem Ellbogen direkt auf Neubarths Nase. Bibbernde Fußballfachleute verlangten an dieser Stelle überwiegend die Einwechslung Norbert Meiers, der sich seit der 20. Minute schon ganz wunderbar warm gelaufen haben mußte. Trainer Rehhagel aber brachte Manni Burgsmüller.

„Ich bin sehr glücklich, daß Norbert nicht gespielt hat“, sagte der Trainer anschließend der Presse. „Das Spiel wurde immer härter. Das ist nicht seine Sache. Ich bin froh, daß er nicht verletzt ist.“ Meier bedankte sich artig für solch freundliche „Fürsorgepflicht“, Spaß aber habe ihm das Zuschauen nicht gemacht. Spaß hat es uns allen nicht gemacht. Ordentlich beklatscht haben wir nur den ehrlichen Finder einer Geldbörse in der 20. Minute.

Selbst als in der 78. Minute der Ball dann doch mal ins Netz hinter den schottischen Torwart kullerte, wollte keine rechte Freude aufkommen. Riedle hatte „es einfach mal mit der Hand versucht, aber es war klar, daß das abgepfiffen wird.“ Das war bei den schwarz gekleideten Herren um Signore Carlo Loughi nicht unbedingt immer klar. Der nämlich übersah gern mal einen herzlichen Rempler und zeichnete sich durch den sparsamen Umgang mit den ihm anvertrauten Gelben Karten aus. Rehhagel:„Die Schotten waren hart und unfair.“ Celtic Manager Billy McNeill bestätigte den Bremern postwendend herausragende schauspielerische Fähigkeiten. „Ich habe meiner Mannschaft nur vorzuwerfen, daß sie kein Tor geschossen hat.“

Derweil waren die gut 2000 fröhlichen Celtic-Fans 20 Minuten nach Abpfiff noch immer guter Dinge auf ihren Stehplätzen. Nette Menschen. Warum bloß schwärmen sie nicht für eine richtige Fußball-Mannschaft?

Petra Höfer