: Wenn die Freiheit einen bitteren Beigeschmack hat
■ Nach seiner Entlassung aus israelischer Haft durfte ein junger Palästinenser in sein zerstörtes Haus zurückkehren / Aus Rache werden die Häuser Unschuldiger gesprengt
Jericho (afp) - Für den Palästinenser Junes Takruri hat die wiedergewonnene Freiheit einen bitteren Beigeschmack. Der 17jährige war nach dem Brandanschlag gegen einen israelischen Linienbus bei Jericho Ende Oktober festgenommen worden. Obwohl seine Unschuld bewiesen wurde, sprengte die israelische Armee drei Häuser seiner Familie in die Luft, noch bevor die Untersuchung beendet worden war. Bei dem Attentat waren am 30.Oktober eine Israelin und ihre drei kleinen Kinder lebendigen Leibes verbrannt. „Ich hörte die Explosion, und unmittelbar danach schlugen die Flammen hoch, weithin sichtbar in der Nacht. Einige Minuten später klopften Soldaten an unsere Tür und nahmen mich zusammen mit meinem Bruder Dschuma'a und meinen fünf Cousins fest“, berichtet Junes und schaut umher auf die Mauerreste seines ehemaligen Hauses.
Es war nicht das erste Mal, daß der Gymnasiast aus Jericho ein israelisches Gefängnis von innen sah. Schon mehrfach war er von Soldaten gefaßt worden, während er die Armee mit Steinen bewarf. „Meine Freunde und ich haben seit Beginn der Intifada häufig in Gefängnissen der israelischen Armee gesessen“, erzählte er stolz. Junes Takruris schwarze Haut verrät seine ursprüngliche Herkunft: Seine Vorfahren kamen aus Nigeria. Sein Großvater war es, der sich zur Zeit des britischen Mandats in Palästina niederließ, als er sich auf der Rückreise von einer Pilgerfahrt nach Mekka befand. In Jerusalem, das auch für die Mohammedaner ein heiliger Ort ist, lernte er seine zukünftige Frau Myriam kennen, die Großmutter von Junes. Das junge Paar zog nach Jericho um und richtete sich im Viertel der Schwarzen ein, die seit der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts in Palästina leben. Diese waren seinerzeit im Gefolge des Sultans von Ägypten, Ibrahim Pascha, ins Land eingefallen und bei seinem Abzug von ihm zurückgelassen worden.
Heute leben in Jericho zahlreiche Familien afrikanischer Abstammung, davon allein 30 aus Nigeria, die sich alle als Palästinenser fühlen.
„Nachdem sie meinen Enkel in einem Jeep abgeführt hatten, kamen die Soldaten und teilten mir mit: 'Ihr Haus wird zerstört, weil Junes eine Frau und ihre drei Kinder getötet hat.‘ Ich wußte nicht, wovon sie sprachen,“ sagt Myriam, die in ihrem Alter noch ein ganz glattes Gesicht hat. Nicht nur ein Haus, sondern gleich drei im Besitz der Familie Takruri wurden von den Soldaten gesprengt. Nach Angaben eines Sprechers des internationalen Roten Kreuzes fielen in Jericho nach dem Attentat insgesamt elf Häuser den Vergeltungsschlägen der Armee zum Opfer, so daß 70 Bewohner obdachlos wurden.
Junes hat auch seine Lehre aus den Ereignissen gezogen: „Die Sprengungen (der Häuser) haben meine nationalistischen Überzeugungen nur verstärkt“, sagt er und blickt mit Bitterkeit auf die drei Zelte, die seit einigen Tagen als Unterkunft für die Familie herhalten müssen.
Patrick Anidjar
Intifada wieder heftiger
Jerusalem (ap) - Zu Beginn des zwölften Monats des Aufstandes in den israelisch besetzten Gebieten haben die Auseinandersetzungen zwischen Militär und Palästinensern offenbar an Heftigkeit zugenommen. Nachdem bereits am Mittwoch ein dreijähriger Junge erschossen worden war, wurden am Donnerstag erneut sieben Menschen von Kugeln verwundet, darunter ein 14jähriges Mädchen und ein 15jähriger Knabe schwer.
In Nablus drangen nach Augenzeugenberichten israelische Soldaten in sieben Häuser von Arabern ein und verwüsteten diese. Die Soldaten hätten Fenster und Möbel zertrümmert und die Bewohner geschlagen. Mancherorts seien die Soldaten mit Leitern durch die Fenster in die Wohnungen eingedrungen. Den Anwohnern sei befohlen worden, die Straße von Barrikaden zu räumen und antiisraelische Parolen von den Wänden zu entfernen. Die Tageszeitung 'Maariv‘ berichtete, eine Anzahl Palästinenser sei festgenommen worden.
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