: Parteivorstand gesucht
■ Grüne nehmen zweiten Anlauf, um Parteispitze neuzuwählen / Strukturkommission warb sechs Wochen lang mit Geld und guten Worten um KandidatInnen
Parteivorstand dringend gesucht! Die Bremer SPD hat das Problem seit letzten Donnerstag. Die Bremer Grünen haben es schon lange. Seit über sechs Wochen werden die Geschicke von rund 400 grünen Parteimitgliedern im Lande Bremen nur noch kommissarisch verwaltet.
Am 25. September scheiterte der erste Versuch, das Vakuum an der Parteispitze zu füllen, mangels KandidatInnen-Masse. Am kommenden Mittwoch nimmt die Landesmitgliederversammlung den zweiten Anlauf zu drei neuen VorstandssprecherInnen, drei BeisitzerInnen und einer SchatzmeisterIn. Mit allseits zufriedenen Gesichtern ist nach den Wahlen auch dann kaum zu rechnen.
Vor allem mit der Besetzung der Frauenplätze im Vorstand tun sich die Grünen schwerer als seinerzeit mit dem Grundsatzbeschluß einer Frauenquote: Zwar wollen die Grünen Frauen, nur wollen Frauen die Grünen nicht. Jedenfalls nicht aktiv, ehrenamtlich und langfristig.
Dabei hat eine „Strukturkommission“ sechs Wochen darüber gebrütet, wie der allgemeinen Vorstandlustlosigkeit beizukommen sei, und sich in Einzelgesprächen um potentielle KandidatInnen bemüht. Erster Vorschlag der Kommission: Vorstandsmitgliedern soll das unattraktive Amt künftig mit einer Aufwandsentschädigung von 250 Mark, möglicherweise sogar 500 Mark monatlich schmackhaft gemacht werden. Um InteressentInnen eine „langfristige Lebensplanung“ und der Vorstandarbeit „größere
Kontinuität“ zu ermöglichen, soll der Vorstand außerdem nur noch alle zwei Jahre neugewählt werden. Schließlich sollen Doppelmandate zulässig werden, Vorstandsmitglieder der grünen Kreisverbände auch dem Landesverband vorstehen könne.
Kommissionsmitglied und Psychologe Günter Bierhoff hält von alledem offensichtlich gar nichts. Nach ausführlicher Befragung aller potentiellen KandidatInnen kam Bierhoff in einem „Minderheitengutachten“ zu dem Ergebnis, daß dem herrschenden Vorstandsfrust weder durch Geld noch gute Worte beizukommen sei, Aufwandsentschädigungen (geschätzt: 21.000 Mark pro Jahr) seien deshalb „rausgeschmissenes Geld“. Für Bierhoff sitzt die Krise tiefer: „Die Grünen haben ihre innovative Kraft eingebüßt und ... eine Grenze er
reicht, an der Politik nur Nachlaßverwaltung und Ritual ist“. Nur durch „Aufbietung aller Überedungskunst“ seien überhaupt KandidatInnen zu gewinnen gewesen.
Immerhin: Gewonnen wurden u.a. der Bremer Hochschullehrer Thomas Krämer-Badoni, der sich mit „ziemlicher Distanz zur Alltagshektik des Politikgeschäfts“ um „langfristige konzeptionelle Arbeit“ kümmern will, der Sozialwissenschaftler Günter Warsewa, der Nord-Bremer Volkmar Leoholdt und Ralf Knavrek aus dem Bremer Osten. Für die drei Frauen-Quoten-Plätze haben sich die bisherige Landesschatzmeisterin Ute Treptow, Marlot Christians, die in der Neustadt bislang einen grünen Strick- und Freizeittreff ins Leben gerufen hat, und Heide Topf breitschlagen lassen.
K.S.
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