SEXY ALICE IN PLASTICLAND

■ „Barbarella“ mit Jane Fonda im Sputnik Südstern

Roger Vadims Film Barbarella besteht zum größten Teil aus grandiosem Schund und zu 100 Prozent aus Jane Fonda. Ihre pseudo-jungfräuliche Sinnlichkeit und die aufregende Ausstattung dieses Science-Fiction machten ihn zu einer Sternstunde des Pop-Films und gleichzeitig zu einem Höhepunkt des kommerziellen Sex-Films.

Raum-Amazone Jane Fonda, eine Art Alice in plasticland, zieht (sich) aus, das Universum zu erretten. Sie reist in einem Plüsch-Raumschiff umher, mit flauschigen Teppichen, trägt durchsichtige Plastik-BHs und mörderische Plastik -Revolver. Die Landschaft auf fremden Planeten ist in grelle Pop-Farben getaucht, es gibt Sklaven, die befreit werden müssen, und sogar ein richtiger Engel (mit Flügeln!) steht ihr zur Seite.

Roger Vadim, der zuvor schon mit Brigitte Bardot und Catherine Deneuve zwei Ehefrauen als Filmstars verkauft hatte, schuf hier mit seiner nächsten Frau Jane Fonda das definitive Meisterwerk filmischer Pop-Art. Pauline Kael nannte Jane „the only comedian who is sexiest when she is funniest“. Mit Anita Pallenberg und David Hemmings (dem Fotografen aus Antonionis Blow Up) in Nebenrollen, verfilmte Vadim 1967 die Comic-Vorlage des französischen Zeichners Jean-Claude Forest.

Barbarella war der erste Comic, der sich ausschließlich an ein erwachsenes Publikum wendete, aber nicht wie in den USA an eine Hippie-Szene, sondern an französische Intellektuelle. 1964 wurde der erste Band mit Barbarellas Abenteuern von der Zensur verboten, was dem Zeichner Forest eine ungeahnte Popularität verschaffte und in eine Debatte über „Pornografie und Kunst“ mündete. Als „anstößig“ wurde Barbarellas Geschlechtsverkehr mit einem Roboter empfunden, dem sie zuflüstert: „Victor, Ihr habt Stil“, worauf dieser entgegnet (im Comic wie im Film): „Ich kenne meine Schwächen ... Meinen Impulsen haftet immer etwas Mechanisches an.“

Vadims Film Barbarella ist intelligent und simpel, ist witzig, sexy, besessen und ein wenig gewalttätig. Barbarella hat mit Rock'n'Roll zu tun, mit Flower Power, Drogen und dem teenage heaven. Barbarella ist verspielt, versponnen, traumhaft, selbst-verliebt - und gleichzeitig eine genaue Formulierung der Mid-Sixties: Frauen und Weltraum.

Die überschwengliche, perverse, raffinierte und ironische Erotik dieses Werkes konzentriert sich auf vielsagende Andeutungen. Von vorne gesehen Nacktheit (die damals verboten war) auf aufreizende Art vermeidend, bezieht Vadim sadomasochistische und lesbische Zwischenspiele ein. Der Höhepunkt ist eine Folter-durch-Orgasmus-Maschine, die Jane, von wollüstigen Schauern beinahe umgebracht, mit ihrer orgiastischen Kraft zum Durchbrennen bringt.

Das Traumpaar des Jet-Set der Sechziger trennte sich nach diesem Film. Vadims Werke krankten fortan an einer gewissen Sterilität, und Jane Fonda spielte die „ernsthafte“ Frau, indem sie sich mit Polizisten prügelte, nach Vietnam flog und zum Staatsfeind erklärt wurde. In Jimmy Carters liberalerem Amerika suchte sie sich Filmrollen als Schriftstellerin, Reporterin, Chefsekretärin oder Industriemanagerin aus. Später erfand sie Aerobic und engagierte sich in der Friedensbewegung.

Als Barbarella hatte sie auf einem fremden Planeten in ihrer ungebändigten Wildheit ein Orgasmatron zum Schmelzen gebracht. Heute schmelzen bestenfalls fromme Betschwestern dahin.

Torsten Alisch

Ab 14.November im Sputnik Südstern