Aus der Statistik, aus dem Sinn

■ Protesttagung gegen Streichung eines Modellversuchs, der besonders benachteiligten Jugendlichen zu einem qualifizierten Berufsabschluß verhalf

Fünfzig BewerberInnen hat es 1988 beim Schulzentrum Walliser Straße für die Berufsfachschulausbildung mit qualifizierendem Abschluß gegeben (BFSq). Man hat sie nach Hause schicken müssen, weil der Senat den Modellversuch eingestellt hat. „Was sollen wir denen sagen?“ fragte erbost ein Berufsschullehrer den für berufliche Bildung zuständigen Vertreter der Bildungsbehörde, Hüster. Die GEW hatte aus Protest gegen die Einstellung des vor zehn Jahren begonnenen Modellversuchs zu einer Tagung in die GSO eingeladen.

Der senatorische Vertreter wußte Rat. Das BFSq kann als eine schulische Berufsausbildung das „dualen System“ der Ausbildung in Betrieb und Berufsschule nicht ersetzen. Die 50 Abgewiesenen seien also einfach auf das

Arbeitsamt und den normalen Bewerbungsweg zu verweisen. Den Lehrer von der Walliser Straße überkam die Verbitterung: „Erst wenn sie im offiziellen dualen System gescheitert sind, kommen sie doch zu uns, klammern sich an den letzen Strohhalm, und da sagen Sie, wir sollen ihnen den Tip geben, sich doch genau dort wieder zu bewerben!“

Die Arbeitsförderungs- und Weiterbildungsgelder aus Nürnberg fließen gedrosselt, auf der andern Seite steigen, auch in Bremen die Lehrstellenangebote. Das sind für die Behörde Gründe genug, sich an Bildungssenator Frankes halbjahrsalte Zusicherung, sich für die BFSq-schulische Berufsbildung stark zu machen, nicht mehr zu erinnern. Sie soll auslaufen, die spärlichen monatlichen Unterhaltszuschüsse

der SchülerInnen sind schon abgeschafft. Die Hochschullehrer Rainer Drechsel und Bodo Voigt zeigten, daß die Zahl der benachteiligten Jugendlichen (v.a. Mädchen, Hauptschulabgänger, Ausländer) , die aus dem dualen System herausfallen, nicht einfach deshalb weniger werden, weil mehr Lehrstellen angeboten werden. Bodo Voigt: Diejenigen, die ohne Hauptschul- und Berufsabschluß sind, verschwinden zwar aus der Arbeitsamtsstatistik, tauchen aber am Sielwall als „Fälle“ des Sozialamtes wiederauf, wenn sie sich außer der Sozialhilfe Drogen reinziehen. An Hüster: „Aber weil sie in Ihrer Statistik nicht mehr auftauchen, sind sie für die Bildungsbehörde kein Thema mehr. Das ist im Grunde ein einziger Skandal!“ Herr Hüster blieb freundlich unverbindlich.

Uta Stolle